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Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Titel: Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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zu lenken oder ihm zu helfen. B hat damit die Oberhand; auf einer höheren Stufe jedoch hat A die Oberhand, indem er diese Art von komplementärer Beziehung herbeigeführt hat. Dies nennt Haley eine metakomplementäre Beziehung. Auch ist es denkbar, dass A seinen Partner B veranlasst, ihm gegenüber als gleichwertig aufzutreten, sich ihm gegenüber symmetrisch zu verhalten: Wenn also A seinem Partner eine symmetrische Beziehung erlaubt oder sie von ihm fordert. Dies ist eine paradoxe Situation, wenn z.B. der Mann von seiner Frau fordert, sie solle ihm ein gleichwertiger Partner sein und sich emanzipieren. Die Frau befindet sich in einem unheilvollen Dilemma, in einer Art Double-bind-Situation (vgl. S. 42).
    Diese drei Beziehungsarten (s. Abb. 67) können natürlich innerhalb einer Beziehung in wechselnder Folge auftreten.

    Abb. 67:
    Drei Grundarten von Beziehungen.
    4.3
    Beziehungs-Manöver
    Halten wir fest: Sender und Empfänger kommen letztlich nicht umhin, ihre Beziehung zueinander zu definieren. In neuen und schwierigen Beziehungen ist die Definition unklar und oft umstritten. Und so findet dann, gleichsam unter der Oberfläche des Gespräches, ein Tauziehen darüber statt, welche Art von Beziehung im Augenblick zu gelten hat und wer darüber bestimmen darf.
    Versuche, eine bestehende Beziehung umzudefinieren, werden «Manöver» genannt. Manöver sind solche Verhaltensweisen, die die bisherige Beziehung verändern oder ihr einen neuen Akzent geben. Ein solches Manöver mag in einer neugierigen Frage bestehen, in einem Befehl oder in einem Kommentar über das Verhalten des anderen. Wenn etwa ein Schüler am Ende einer Unterrichtsstunde zum Lehrer sagt: «Diesmal haben Sie sich sehr gut vorbereitet auf die Stunde!» – dann handelt es sich hier um ein symmetrisches Manöver; denn bisher war es dem Lehrer vorbehalten, die Leistungen der Schüler mit Lob und Tadel zu kommentieren. Die oft in solchen Situationen entstehende Verblüffung weist auf die Neuartigkeit der Beziehungsdefinition hin. Manche Witze leben von dieser Verblüffung: «An welchem Fluss liegt Rom?», fragt der Lehrer den Schüler. «Ja, wenn Sie das nicht einmal wissen, wie konnten Sie dann Lehrer werden?», antwortet der Schüler. Der Witz liegt darin, dass der Schüler die Frage des Lehrers symmetrisch gedeutet hat, d.h. als echte Frage zwischen Gleichrangigen, und nicht als komplementäres Abfragen. In diesem Falle erscheint die Schülerreaktion absurd, da die Lehrer-Schüler-Beziehung als «klar» und eindeutig definiert vorausgesetzt werden kann. In vielen Fällen liegt diese Klarheit aber gerade nicht vor, und dann haben Sender und Empfänger einiges zu tun, den heimlichen Ringkampf um die Beziehungsdefinition zu führen.
    4.4
    Die Studentin und der junge Mann – ein Beispiel
    Das folgende Beispiel    [5] soll dazu dienen, die vorgestellten Begriffe zu erläutern (Beziehungsdefinition: symmetrische, komplementäre und metakomplementäre Beziehung; der Beziehungsdefinition zustimmen, sie durchgehen lassen, ablehnen und entwerten; Manöver) .

    Eine junge Frau sitzt lesend auf einer Parkbank, und es nähert sich ein junger Mann.
    Er: «Kann ich mich dahin setzen?» (auf den Platz neben ihr weisend)
    Seine Beziehungsdefinition lautet: Zwischen uns können Worte gewechselt werden, dies ist nicht bloß ein schweigendes Nebeneinander. – Dadurch, dass er für eine Handlung um Erlaubnis fragt, die dieser Erlaubnis nicht bedarf (Hinsetzen auf eine Bank), gibt er ihr metakomplementär die Verfügung über ihn.
    Aus ihrer nun folgenden Antwort wird erkennbar sein, ob sie diesen Beziehungsvorschlag akzeptiert, «durchgehen lässt» oder zurückweist.
    Sie: «Klar!» (sieht hoch und grinst)
    Sie stimmt der Definition also zu. Durch das Grinsen signalisiert sie zusätzlich das geheime Einverständnis, dass es hier um mehr geht als die bloße Organisation von Sitzplätzen. Sie hätte sein Manöver auch lediglich durchgehen lassen können (etwa durch ein kurzes, teilnahmsloses «bitte»); oder sie hätte das Manöver zurückweisen können (etwa: «Wieso fragen Sie?»); oder sie hätte das Manöver durch bloße Nichtbeachtung entwerten können.
    Beide sitzen eine Zeitlang auf der Bank, sie scheinbar weiterlesend, er Brille putzend. Es fährt eine kleine Bimmelbahn vorbei, beide sehen hin.
    Er: «Eine alte Oma-Bahn!» (macht sich darüber lustig) Beziehungsdefinition: Dies ist eine Beziehung, in der ein bisschen über die gemeinsam zugängliche

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