Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation
Umgebung geklönt werden darf.
Sie: «Hmm.» (lacht)
Bestätigung der Definition. – Nach einer weiteren Zeit des Schweigens:
Sie: «Schön hier, nicht?»
Eine neuerliche Bestätigung der alten Definition. Diesmal aber mit dem Unterschied, dass der Definitionsvorschlag von ihr initiiert wird. Damit wird für ihn eindeutig erkennbar, dass sie seine Definition nicht nur «durchgehen lässt», sondern wirklich bestätigt (= ich will auch lieber reden als lesen).
Er: «Es ist schon den ganzen Tag schön. Ich war eben drei Stunden auf dem Kinderspielplatz, habe Plumpsack mitgespielt.
Die Kinder haben sich sehr amüsiert, weil ich nicht richtig laufen konnte. Bin gerade gestern aus dem Krankenhaus gekommen. War acht Wochen drin, hatte mir beim Tennis das Bein gebrochen, brauchte eine künstliche Kniescheibe. – Ich fühle mich jetzt sehr leer und weiß nichts mit mir anzufangen. Ich habe zwar Bekannte, aber die sind alle gemeinsam im Urlaub. Da stellt sich so ein Sinnlosigkeitsgefühl ein, weißt du? Die Decke fällt einem zu Hause auf den Kopf, und sechs Monate lang werde ich nicht arbeiten können – bin von Beruf Krankenpfleger.»
Diese weitreichende Selbstoffenbarung stellt ein Manöver dar, mit dem die alte Beziehungsdefinition stark erweitert wird: In dieser Beziehung darf über persönliche, ja intime Inhalte gesprochen werden. – Wie ist dieses Manöver genau zu verstehen? Möglich wäre sowohl, dass er eine symmetrische wie auch eine komplementäre Beziehung ansteuert. Symmetrisch: Dies ist eine Beziehung, in der jeder ein bisschen von sich erzählt und wir dadurch näher bekannt werden. Komplementär: Dies ist eine Beziehung, in der ich mich einmal aussprechen kann und jemanden habe, der mir zuhört (Klient-Therapeut).
In der Rückschau analysierte die Studentin, dass sie seiner Nachricht sehr stark den Appell entnommen hatte «Hör mir zu, geh auf mich ein!». – Sie reagiert entsprechend dieser Dekodierung:
Sie: «Dieses Erlebnis auf dem Spielplatz kann ich gut nachempfinden, du bist ja gerade erst heraus aus dem Krankenhaus, musst dich erst einmal wieder an die Situation gewöhnen. Keine Angst vor deinen blöden Gefühlen, ist doch völlig normal. Braucht Zeit. Wie dumm, dass ausgerechnet jetzt deine Freunde weg sind, du nicht mitfahren konntest und jetzt jemanden brauchst. Was genau macht dir im Moment zu schaffen?» (etwas zusammengefasst)
Kommunikationspsychologisch eine komplizierte Situation: Für den Fall, dass er mit seiner Selbstvorstellung eine komplementäre Beziehungsdefinition verbunden hat, handelt es sich bei ihrer Reaktion um eine Bestätigung dieses Definitionsvorschlages. Für den Fall jedoch, dass er es symmetrisch gemeint hat, wäre ihre Reaktion eine (partielle) Zurückweisung. Jedenfalls enthält nun ihre Reaktion eine eindeutige Beziehungsdefinition: du Klient – ich Therapeut (du Armer, ich Helfer). Die Studentin selbst analysierte im Nachhinein: «Die Beziehung ähnelt einer Therapeut-Klienten-Beziehung. Er ist insofern in der schwächeren Position, da er etwas von mir will und sogar braucht, es ist wichtig für ihn zu reden; ich dagegen gebe nichts von mir preis und bin dadurch geschützter als er.»
Ihr Beziehungsvorschlag stellt somit ein Manöver dar, das ihr (im Falle der Bestätigung durch ihn) die Oberhand über die Beziehung sichert. Wie wird er auf dieses Manöver reagieren?
Er (zusammengefasst): «Bin von Beruf Oberpfleger, kann ausbilden und Zensuren verteilen. Lebe seit sechs Jahren in dieser Stadt, vorher in Paris, habe viele ausländische Freunde, die jetzt auch hier sind. Habe eine jüngere Schwester, die auch hier lebt, jetzt aber mit gemeinsamen Freunden verreist ist. Eine Zeitlang haben wir zusammen gewohnt, ich fühle mich von ihr sehr stark sexuell angezogen und würde gern mit ihr schlafen, habe es aber noch nicht.» (Er erzählt eine Begebenheit, in der er seine Freundin und seine Schwester in deren Beisein verglich und seine Schwester dabei besser abschnitt. Darauf endete die Freundschaft mit dem anderen Mädchen.) «Das konnte sie wohl nicht vertragen.»
Er setzt seine Selbstdarstellung fort, aber in den Inhalten wie ausgewechselt! Er spricht nicht mehr von seinen Nöten und Problemen, sondern hebt seine berufliche und männliche Überlegenheit hervor. Seine Nachricht enthält somit eine klare Zurückweisung ihrer Beziehungsdefinition: «Nein, ich bin nicht dein Klient, und du nicht meine Therapeutin. Sondern du ein Mädchen und ich ein
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