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Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Titel: Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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Beziehungsgraben aufreißt und die Kommunikation in den Zustand der «heillosen Verflochtenheit» von Sach- und Beziehungsebene gerät (vgl. S. 231).
    Das «gemeine Gesetz des Widerspruchs» lässt sich gut in folgendem Gesprächsexperiment demonstrieren: Ein Sender, der sich in einer schwierigen Entscheidungssituation befindet, trägt einen «Ja-aber-Standpunkt» vor (Beispiel: «Ich möchte ja gern ein Kind, aber wird die Belastung nicht zu groß sein?»). Reagiert nun der Empfänger, indem er sich für den «Ja-Standpunkt» stark macht («Kinder machen doch so viel Freude!»), dann wird der Sender eher in die Bedenken hineingetrieben und den «Aber-Standpunkt» weiter ausbauen («Aber sie binden einen auch sehr an!»). – Übernimmt der Empfänger hingegen den Aber-Standpunkt («Die Belastungen sind enorm – du verlierst jede Freiheit, bist nur noch für die Kinder da!»), dann werden des Senders Energien mit größerer Wahrscheinlichkeit in den Ja-Standpunkt hineinfließen («So schlimm ist es auch wieder nicht, außerdem bereichern Kinder das Leben doch auch!»).
    4.2
    Lösungen erster und zweiter Ordnung
    Auf Grund etwas anderer Überlegungen kommen die Psychotherapeuten und Kommunikationspsychologen Haley (1978) sowie Watzlawick, Weakland und Fisch (1974) zu einer Beeinflussungsmethode, die wir Appelle in die Gegenrichtung genannt haben. Für den vorliegenden Zweck können ihre Gedanken vereinfacht wie folgt zusammengefasst werden:
    Probleme bestehen darin, dass gewisse wünschenswerte Ereignisse oder Zustände nicht oder zu wenig vorhanden sind, oder darin, dass etwas nicht Wünschenswertes (zu viel) vorhanden ist. Beispiel: In einem Raum ist es zu kalt (= zu wenig Wärme), der 12-jährige Sohn macht seine Hausaufgaben nicht (= zu wenig Einsatz für die Schule), Herr X hat einen Raucherkatarrh (= zu viel Rauchen). Die naheliegende und häufig erfolgreiche Lösung solcher Probleme besteht in der Einführung des Gegenteils: Dem kalten Raum wird Wärme zugeführt; der 12-Jährige wird angehalten, mehr Einsatz für die Schule zu bringen; Herr X erhält vom Arzt ein Rauchverbot. Kennzeichnend für diesen Lösungstyp ist, dass, wenn die getroffene Maßnahme sich als zu schwach erwiesen hat, durch ein Mehr derselben Maßnahmen schließlich der Erfolg sichergestellt wird: Hat die Wärmezufuhr nicht ausgereicht, muss noch mehr geheizt werden; haben sanfte Ermahnungen des 12-Jährigen nicht genug bewirkt, setzen die Eltern «mehr Druck dahinter» usw.
    Wesensmerkmale dieser Lösung erster Ordnung ist also die Einführung des Gegenteils und im Falle mangelnden Erfolges die Verstärkung derselben Maßnahmen. Für uns von Bedeutung ist der Fall, dass die Lösungs-Maßnahme in einer kommunikativen Beeinflussung besteht. Lösungen erster Ordnung sind dann gleichbedeutend mit «Appellen in die gewünschte Richtung».
    Nun gibt es aber Probleme, für die eine Lösung erster Ordnung unangemessen ist; wo die Einführung des Gegenteils nichts bewirkt und ein Mehr derselben Maßnahmen alles nur noch schlimmer macht. Oftmals wird in solchen Fällen der Lösungsversuch selbst zum Hauptproblem.
    Beispiele (in Anlehnung an Watzlawick u.a. 1974):
Dem Problem des Alkoholismus versuchte man (z.B. in den USA) beizukommen, indem man den Konsum einschränkte (Einführung des Gegenteils) und schließlich ganz verbot (Mehr derselben Maßnahmen). «Doch das ‹Heilmittel› der Prohibition erweist sich als das größere Übel als die zu behandelnde Krankheit» (Watzlawick u.a. 1974): Schwarzbrennereien, kriminelle Verteilerorganisationen, Korruption, Gangstertum, Gesundheitsschäden durch unreinen «Fusel».
 
Der Melancholische ist betrübt und sieht mit seiner negativen Brille nur die unvorteilhaften Seiten des Lebens. Freunde und Verwandte versuchen ihn «aufzuheitern» und führen ihm die schönen Seiten des Lebens vor Augen (Einführung des Gegenteils). Wie wir wissen, sind Appelle ein untaugliches Mittel zur Veränderung gefühlsmäßiger Zustände (vgl. S. 250). Der Melancholische wird noch trauriger, da man ihm zeigt, wie «unvernünftig» seine Reaktionen sind. Freunde und Verwandte verdoppeln nun ihre Anstrengungen (Mehr derselben Maßnahme), und am Ende ist aus der ursprünglichen Traurigkeit eine schlimme Depression geworden.
 
Ein Ehemann wünscht in der Ehe «seine Freiheit» zu bewahren und geht zuweilen allein fort. Die Frau ist darüber beunruhigt und sendet Appelle in die gewünschte Richtung: Vorwürfe,

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