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Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Titel: Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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Wer einigermaßen verdient, kann mit Geld nicht mehr so sehr «hinter dem Ofen hervorgelockt» werden, wohl aber mit der Aussicht auf Prestige und Ansehen. Unsere Werbefachleute werden analysiert haben, auf welcher Stufe der Maslow’schen Pyramide die Bedürfnisse der Käufer von heute stehen. In vielen Fällen werden Konsequenzen für das Kaufverhalten in Aussicht gestellt, die in einem Prestigezuwachs oder in der Verbesserung zwischenmenschlicher Beziehungen bestehen (Schulz von Thun u.a. 1975). Solche Vorteile liegen zwar selten in der Natur des Kaufgegenstandes begründet, treffen dafür aber besser in das Zentrum zeitgenössischer Sehnsüchte, zumindest bei den zahlungskräftigen Empfängern.
    Assoziationen stiften
    Ob ich auf etwas zustrebe oder mich davon abwende, das hängt stark davon ab, welche Gefühle der Gegenstand in mir auslöst. Die Art der Gefühle wiederum hängt davon ab, welche Erfahrungen ich damit gemacht habe, genauer gesagt: in seiner Gegenwart gemacht habe. Angenommen, ein Kind bekommt vom Arzt eine Spritze «verpasst», es tut weh. Eine Woche später beim Friseur fängt das Kind an zu weinen. Nanu? Der Friseur hat einen weißen Kittel an, wie der Arzt. Das Kind hat «in Gegenwart» eines weißen Kittels schmerzhafte Erfahrungen gemacht – der an sich harmlose Kittel ist zum Auslöser von Angst geworden.
    Dieser Vorgang heißt «Klassische Konditionierung», gemeint ist die Verknüpfung eines Reizes (Kittel) mit einer Reaktion (Angst). Wir leben in einer Welt von weißen Kitteln. Kaum etwas, was uns begegnet, lässt uns gefühlsmäßig neutral. Auf Grund früherer Verknüpfungserfahrungen werden bestimmte Gefühle ausgelöst, und die Gefühle versetzen uns in bestimmte Handlungsbereitschaften (z.B. schafft Angst Flucht- und Vermeidungsbereitschaft). Dieser Mechanismus lässt sich gut zur Beeinflussung nutzen. Unsere Werbefachleute sagen sich: Wir können nicht davon ausgehen, dass der Empfänger bei unserem Produkt von vornherein positive gefühlsmäßige Reaktionen (und eine entsprechende Handlungs-, nämlich Kaufbereitschaft) hat. Wie können wir aus unserem «harmlosen weißen Kittel» einen Kittel machen, der – nun allerdings positive – gefühlsmäßige Reaktionen hervorruft? Antwort: Indem wir ihn mit angenehmen Reizen koppeln. – Und so findet der Empfänger schöne Frauenbeine neben einem Autoreifen und eine Schnapsflasche vor dem Hintergrund einer reinen «gesunden» Berglandschaft vor. Merkt der Empfänger, dass sich hier eine Assoziation von Alkohol und Gesundheit einschleicht? Entsprechende Verknüpfungen finden statt zwischen Zigaretten und dem Duft einer großen, weiten Welt und zwischen Zitronenbrause und unbeschwerter Jugendlichkeit.
    3.5
    Die appellhaltige Begriffswelt
    Die systematische Neu-Herstellung solcher Assoziationen ist das Geschäft der Werber und Propagandisten. Dagegen ist die Nutzung bereits vorhandener Assoziationen unser aller Geschäft, und zwar durch den Gebrauch der Sprache. Jedes Wort, das wir aussprechen, enthält nicht nur die lexikalische Bedeutung für das, was es bezeichnet, sondern hat allerlei Gefühlsanteile im Schlepptau, die sich aus vergangenen Erfahrungen ergeben. Diese Gefühlsanteile machen die Wertung aus, die wir mit dem Wort verbinden. Wertungen aber stellen keinen ästhetischen Luxus dar, den wir uns leisten, sondern haben eine ganz praktische Funktion: Sie steuern und rechtfertigen unser Verhalten, sie enthalten Appelle. Betrachten wir den Vorgang an einem Beispiel. Angenommen, jemand hat mit Personen, die auf der Straße stehen und um Geld bitten, folgende Erfahrungen gemacht: Immer, wenn ein solcher Mensch zu sehen war, machte die Mutter mit ihrem Kind einen kleinen Bogen und sagte: «Das ist ein Bettler, er ist faul und lässt sich von anderen Leuten Geld geben.» Dieses Kind lernt nicht nur das Wort Bettler wie eine Vokabel, sondern auch die Ablehnung, die sich mit dem Wort von nun an verbindet:

    Abb. 78:
    Beispiel für appellhaltige Begriffe.
    Bei späterer Verwendung des Wortes wird die alte Ablehnung auf neue so bezeichnete Personen übertragen. Nehmen wir an, jemand sagt: «Per-Anhalter-Fahren ist doch nichts anderes als eine moderne Form von Bettelei!» Das Wort «Bettler» bzw. «Bettelei» hat hier den Transport von Gefühlen übernommen und enthält den entsprechenden Appell, einen «kleinen Bogen» um die so bezeichneten Personen zu machen, d.h. nicht anzuhalten.
    Wir stoßen hier auf die Tatsache, dass die

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