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Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

Titel: Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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Team?
    Fehlt noch jemand, haben Sie etwas überhört? Lesen Sie zum Vergleich einige mögliche Stimmen, die ich nachfolgend aufgeschrieben habe! Vielleicht ist eine dabei, die Sie so oder so ähnlich oder mit ganz anderem Akzent auch in sich vorfinden, ohne dass Sie selbst darauf gekommen wären. Dann gehört dieses innere Mitglied zu Ihren «Spätmeldern», aus Gründen, die Sie selbst herausfinden werden!

    Der/die peinlich Berührte : «Wie unangenehm! Muss dieser Mensch mir an diesem schönen Tag das Elend der Welt so drastisch vor Augen führen!? Nicht hinsehen und schnell vorbei!»
    Der/die Mitleidige : «Der Arme! Schlimm, dass es bei uns solche Armut gibt! Ich sollte wenigstens stehen bleiben und ein paar Mark beisteuern, wenn ich schon sonst nichts tun kann!»
    Der/die Hartherzige : «Selber schuld! Bei uns muss niemand hungern! Die Polizei sollte solche Leute von der Straße jagen – sie beleidigen das Auge eines anständigen Bürgers!»
    Der/die schuldbewusst Privilegierte : «Es ist sehr ungerecht! Ich als Günstling des Schicksals gehe verächtlich oder allenfalls mildtätig an ihm vorüber. Wenn mich seine Lebensumstände getroffen hätten, säße ich wahrscheinlich jetzt auch dort. Und wer weiß? Die Karten des Schicksals werden täglich neu gemischt. Vielleicht sitze ich eines Tages an derselben Stelle?»
    Der/die Eilige : «Ich hab weiß Gott genug zu tun, ich kann jetzt nicht jedes Mal stehenbleiben und mein Portemonnaie nach Kleingeld durchforsten. Los weiter, vielleicht ein andermal, wenn ich mehr Zeit habe!»
    Der/die Misstrauische : «Macht der nicht auf die Mitleidstour, und ich falle darauf herein? Schreibt ‹Brot› und meint ‹Schnaps›? Und ich finanziere ihm dann seinen unseligen Lebenswandel!?»
    Der/die nicht auffallen möchte : «Etwas unangenehm, aus dem Strom der Vorbeigehenden auszuscheren und stehen zu bleiben! Werden mich nicht alle anschauen? Und was werden sie über mich denken? Wenn nun alle etwas in den Hut werfen würden, wie in der Kirche, wenn die Kollekte herumgeht, dann würde ich mich auch nicht ausschließen! Aber so, als Einziger? Vielleicht kann ich nächstes Mal ein Markstück in die Manteltasche tun – dann kann ich es ganz schnell und unauffällig im Vorübergehen in den Hut werfen.»
    Der/die Leistungsbetonte : «Wenn er wenigstens Musik spielen oder irgend etwas bieten würde! Dann würde ich eher etwas geben: Geld gegen Leistung! Aber nur so passiv dasitzen und die Hand aufhalten, das finde ich schlicht faul!»
    Der/die Systemkritikerin : «Es liegt in der Logik einer kapitalistisch organisierten Marktwirtschaft, dass es Gewinner und Verlierer gibt; die Letzteren müssen das gesellschaftlich produzierte Elend privat ausbaden. Diese strukturelle Misere lässt sich auf der individuell-menschlichen Ebene nicht lösen. Von daher wäre es politischer Schwachsinn, wenn ich jetzt meine Beziehung zu diesem Bettler auf der Basis von Mitleid und Almosen gestalten würde! Damit würde ich eine strukturelle Misere karitativ stabilisieren.»

    Dies ist nur eine kleine Auswahl aus der Vielzahl der Regungen und Haltungen, die wir (im doppelten Sinn des Wortes) Bettlern entgegenbringen. Meine Befragungspersonen benutzten oft originelle Namen, zum Beispiel der Nasevoll («Ich kann diese Schnorrer und unappetitlichen Menschen nicht mehr sehen!»), wobei ihnen diese inneren Mitglieder zum Teil peinlich waren, zum Teil gar nicht.
    Betrachten wir als Musterbeispiel ein mögliches Ergebnis (s. Abb. 10):

    Abb. 10:
    Beispiel für eine innere Konstellation zum Thema «Bettler»
    In diesem Beispielbild finden wir einen pragmatischen Hauptkonflikt auf dem Vordergrund der inneren Bühne: Ein Eiliger will weiter, ein mildtätiges Herz versucht ihn zu bremsen (und macht der Gesamtperson ein schlechtes Gewissen, wenn sie dem Eiligen Vorfahrt gibt). Das sind die beiden lauten Hauptstimmen (daher groß im Vordergrund). Dahinter und weniger laut tauchen noch weitere Mitglieder der inneren Versammlung auf, die ihrerseits uneinig sind und die den Vorderleuten Energie zur Verfügung stellen (durch Pfeile symbolisiert).
    Angesichts dieser konflikthaften Ausgangslage hätte der Teamchef einiges zu tun – wir kommen im «Oberhaupt»-Kapitel 2 darauf zurück.

    An dieser Stelle waren wir aber von einer anderen Frage ausgegangen: Woher kommen die inneren Stimmen, wie kommen sie in uns hinein? Wir wollten die Antwort so lange aufschieben, bis wir exemplarisch eigenes Erlebnismaterial dazu

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