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Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

Titel: Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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Herz neben einem hartgesottenen Haudegen. Jeder verkörpert seine ureigene Wahrheit und hat auf seine Weise recht. – Alle sollen nun miteinander auskommen, obwohl jeder nach Macht und Einfluss strebt. Alle müssen miteinander leben, obwohl sie einander nicht ausgesucht haben. Alle müssen miteinander in Kontakt kommen und sich verständigen, obwohl sie häufig nicht dieselbe Sprache sprechen. Alle sollen ein Team werden, obwohl sie oft zerstritten sind.
    All dies kann nur gelingen, wenn eine gute Führung koordinierend, moderierend, teambildend «den Laden zusammenhält» – aber das soll erst im Kapitel 2 unser Thema werden.

1.3
    Innere Pluralität und moderne Lebensform
    Dass der Mensch kein einheitliches Wesen ist, das kraft seiner seelischen Bauweise mit sich selber einig wäre, sondern dass innere Vielfalt und Gegensätzlichkeit das eigentlich Menschliche ausmachen, ist heute fast schon eine geläufige Vorstellung. Oder doch nicht? Jedenfalls scheint sich ein Bewusstseinswandel abzuzeichnen. So schreibt der 1994 verstorbene Zukunftsforscher Robert Jungk in seinen Erinnerungen: «Ich begann zu begreifen, daß in jedem einzelnen mehrere Persönlichkeiten steckten, daß wir widersprüchlicher, aber auch vielfältiger waren, als es uns die Schule gelehrt hatte …» (1993, S. 79). Aber schon Bismarck soll gesagt haben: «Faust beklagte, daß er zwei Seelen in seiner Brust habe. Ich habe eine ganze sich zankende Menge. Da geht es zu wie in einer Republik» (zitiert nach Schwartz 1997, S. 274).
    Hermann Hesse hat in seinem «Steppenwolf» (1927) noch einen eindringlichen Aufklärungsfeldzug für nötig gehalten gegen das «angeborene und völlig zwanghaft wirkende Bedürfnis aller Menschen, daß jeder sein Ich als eine Einheit sich vorstelle» (1974, S. 65). Diese Täuschung beruhe auf einer «einfachen Übertragung: Als Körper ist jeder Mensch eins, als Seele nie» (S. 66). Selbst die Dichter würden in ihren Charakterdramen jede Figur als einheitlich geprägte Person vorstellen. Erst wenn wir anfingen, «einmal die Figuren einer solchen Dichtung nicht als Einzelwesen anzusehen, sondern als Teile, als Seiten, als verschiedene Aspekte einer höheren Einheit», erst dann bekämen wir «etwas vom wahren Wesen der Seele angedeutet» (S. 67). Und wenn Faust den berühmten Satz «Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust!» sagte, «dann vergißt er den Mephisto und eine ganze Menge anderer Seelen, die er ebenfalls in seiner Brust hat» (S. 67). Und wenn sein (Hesses) Harry Haller in sich den (geistigen) «Menschen» und den (triebhaften) «Wolf» (= Steppenwolf) ausmachen würde und damit schon glaube, am Ende zu sein, und seine Brust dadurch schon arg beengt fühle, so enthülle dies bloß seine armselige Optik in Bezug auf sich selbst. Es sei eben nur eine Einbildung von Harry, wenn er glaube, eine oder zwei Seelen zu haben, aus ein oder zwei Persönlichkeiten zu bestehen. Jeder Mensch bestehe «aus zehn, aus hundert, aus tausend Seelen» (S. 139).
    Ich spreche nicht von «vielen Seelen», sondern ziehe es vor, die eine Seele des Menschen «gruppendynamisch» zu interpretieren. Unbestreitbar aber ist, dass eine pluralistische Gesellschaft in uns wohnt. In der heutigen Zeit hat sich diese innere Pluralität wahrscheinlich dramatisch erweitert und verschärft: vorbei die Zeit, wo äußere Autoritäten (Kirche, Staat, Standesordnung) weitgehend einheitliche Denkweisen und Bewertungen haben vorgeben können. Heute gibt es zu fast allen wichtigen Lebensfragen, die uns berühren, eine Vielzahl unterschiedlicher Stimmen: weltanschauliche und Expertenstimmen, die sich zu Wort melden und über die Medien multipliziert werden. Da niemand mehr verbindlich zu sagen hat, was gut und richtig ist, ist uns ein enormes Maß an Freiheit erlaubt und aufgenötigt zugleich. Auch bei gläubigen Katholiken, so wage ich zu behaupten, ist der Papst im «inneren Parlament» nur mit einem Sitz und mit einer (wenn auch gewichtigen) Stimme vertreten. Das war vielleicht schon immer so, aber die Bereitschaft, sich deswegen als sündig und verworfen zu empfinden, hat rapide nachgelassen.
    Ob eine Frau mit oder ohne Trauschein heiraten will und ob sie Kinder haben und/oder eine berufliche Karriere anstreben will, muss sie selbst wissen; ob ich in einer Wohngemeinschaft oder als Single lebe: beides akzeptabel. Homo-, Bi- und Heterosexualität unter Männern und Frauen: noch längst nicht, aber doch schon viel mehr als früher

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