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Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

Titel: Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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Verhinderung: Profi Ruhigblut lässt den gekränkten Wüterich nicht hervorkommen und wird seinerseits von einem humanistischen Gutmenschen zurückgepfiffen. Das Verhinderungssystem wird verschärft, wenn einzelne Mitglieder imperativisch aufgeladen sind. Damit meine ich in Anlehnung an die «Theorie subjektiver Imperative» von Angelika Wagner (zum Beispiel 1984), dass von ihnen ein unabdingbarer Befehl, ein Gebot oder ein Verbot, ausgeht, wie man unbedingt zu sein hat bzw. wie man keinesfalls sein darf. Wenn dieser Imperativ auf etwas zielt, was sich bereits anders ereignet hat (zum Beispiel ich bin gekränkt, sollte aber laut Imperativ souverän über der Sache stehen; oder ich bin sprachlos und verdattert, sollte aber schlagfertig sein), erzeugt dies einen inneren «Knoten» oder, wie Wagner es auch nennt, einen «Imperativverletzungskonflikt» mit der doppelten Folge einer hohen inneren Erregung und einer äußeren Handlungsblockade. So auch hier. Ein imperativisch aufgeladener Profi Ruhigblut sucht dem Oberhaupt einzuschärfen: «In der Berufsrolle musst du immer souverän über den Dingen stehen, darfst nie aus der Haut fahren!» (Wieso eigentlich nicht? Was ist denn das für ein Professionalitätsverständnis, welches das Kundtun menschlicher Regungen ausschließt!?) Ein imperativisch aufgeladener Gutmensch fordert: «Du musst immer ehrlich und authentisch sein, darfst dich nie hinter einer Maske verstecken!» (Wieso eigentlich nicht? Es gibt doch Situationen, die nicht für ehrliche Begegnungen geschaffen oder dafür noch nicht reif und tragfähig sind. Wohl dem, der dann eine gute, das heißt, situationsadäquate Maske zur Verfügung hat!)
    Derartige imperativische Aufladungen einzelner Mitglieder verschärfen den inneren Teamkonflikt und setzen dem Oberhaupt doppelt und dreifach zu. Sobald es ihren strengen Forderungen nicht genügen kann, laden sie durch und schießen mit Gefühlen von Schuld, Scham und Minderwertigkeit. Die Abgrenzung von ihnen fällt dem Oberhaupt besonders schwer, und im Rahmen einer «inneren Teamentwicklung» ist hierauf besonderes Augenmerk zu richten (s. S. 254f.).

    Chronifiziertes Patt. So ein inneres Patt kann jahrelang dauern. In meiner Materialsammlung hält ein junger Mann den «Rekord», der 15 Jahre lang um eine Berufswahl gerungen hat. Als ältester Sohn einer traditionsreichen, bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgbaren Familie war er dazu ausersehen, das Hotel seiner Eltern zu übernehmen und als Koch zu arbeiten. Der elterntreue Traditionalist bildete eine Allianz mit dem rationalen Ökonomen , der eine Goldgrube vor Augen hatte. Auf der anderen Seite meldete sich unabweisbar ein Selbstverwirklicher , dem das Koch-Dasein zuwider war und der eine Sehnsucht verspürte, eigenen Talenten nachzugehen (zum Beispiel Tischlerei) und das Glück abseits des vorgezeichneten Traditionsweges zu suchen.
    Fast 15 Jahre lang schob er die Entscheidung auf die lange Bank, indem er immer neue Ausbildungen, Hotelfachschulen, Auslandsaufenthalte unternahm, alles zur Vorbereitung auf die Hotelübernahme – ebenso wie zu ihrer Verhinderung . Man könnte sagen: Sein Oberhaupt ersann Handlungen und Strategien, die beide inneren Kontrahenten in ihrem Sinn auslegen konnten. Ich vermute, dass manche bizarre und schwer verständliche Handlungsweise unserer Mitmenschen begreifbar wird, wenn wir sie als den Versuch deuten, zwei (oder mehr) «Herren» zu dienen, die in heftigem Konflikt miteinander liegen. Auch manche Krankheit erfüllt diesen Zweck, indem sie die doppelte Botschaft enthält: Ich würde ja gern – kann aber nicht! Tatsächlich schreibt er später:
Dass diese Situation, die immerhin über Jahre währte, zu gewissen Depressionen führte, liegt fast auf der Hand. Es stellten sich bei mir ab dem 20. Lebensjahr akute, sich verstärkende Atemprobleme ein, die von einem Heer von Ärzten, Psychotherapeuten, Heiltänzern und Heilpraktikern nicht gelöst wurden, die aber heute nicht mehr vorhanden sind. – Es vergingen fast 15 Jahre, an deren Ende ich praktisch dermaßen krank war, dass allein aus diesem Grund eine Übernahme nicht möglich war. Übrigens geht es mir nach der Klärung dieses Erbmartyriums wieder hervorragend, und das Verhältnis zu meinen Eltern war nie besser als heute.

3.2
    Der Umgang mit inneren Teamkonflikten
    Halten wir fest: Innere Teamkonflikte sind ein allgegenwärtiges Phänomen und, sofern und solange sie nicht gelöst sind, ein Ursprung von Unklarheit

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