Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation
Durchführung einer inneren Ratsversammlung zu überwinden hat, liegt in Folgendem begründet: Zwei (oder mehr) Teilnehmer des inneren Konflikts können so stark ineinander verkeilt sein, dass sie als ein einziger Klumpatsch erscheinen, amalgamartig ineinander verschmolzen, bis zur Unkenntlichkeit neutralisiert. Das ist psychische Chemie: Auch das Wasser (H 2 O) hat keinerlei Ähnlichkeit mit seinen beiden Ausgangsgasen Wasserstoff und Sauerstoff. Wenn wir den distanzierten Liebhaber (s. S. 162f.) nach seinen inneren Stimmen und Regungen befragen würden, bevor er seine innere Konfiguration erarbeitet und bearbeitet hätte, würde er wahrscheinlich von einem Müden und Depressiven sprechen, der innerlich den ganzen Raum einnimmt («Es ist sowieso alles egal! Ich hab zu nichts Lust, alles wird immer auswegloser!»), ohne zu ahnen, dass dieser Depressive eine Klumpatsch-Gestalt ist, in der sehr verschiedene Mitglieder mit ursprünglich viel Kraft und Biss zu einer Lähmungsmasse verschmolzen sind. Am Tisch der Ratsversammlung sollen aber möglichst keine Klumpatsch-Gestalten sitzen, sondern im Gegenteil die ursprünglichen Energieträger – denn das Ziel ist Synergie und nicht Neutralisierung.
Die seelische Tendenz zur Klumpatsch-Bildung stellt, das sei an dieser Stelle nebenbei bemerkt, auch bei der Erhebung eines Inneren Teams ein methodisches Problem dar. Denn unter den genannten Stimmen können immer auch Klumpatsch-Gestalten sein, die aus zwei – oft entgegengesetzten – Regungen zusammengesetzt sind. Mit zunehmender Übung kriegt man ein Gefühl dafür und kann bei «Klumpatsch-Verdacht» genauer nachforschen. Mit zunehmender Vertiefung der inneren Einblicknahme können sich diese Gestalten auch von selbst auflösen.
Spätestens an dieser Stelle gewinnen wir eine Ahnung davon, dass die Arbeit mit dem Inneren Team nicht «mal so eben» zu machen ist, sondern dass wir mit allerlei seelischen Komplikationen zu rechnen haben, die unter Umständen die Möglichkeiten des Oberhaupts übersteigen und die Hinzuziehung eines Beraters, einer Klärungshelferin, einer Therapeutin angeraten erscheinen lassen. Aber das Bewusstsein von Möglichkeiten und Grenzen der eigenen Reichweite gehört ja zur Kompetenzausstattung jeder Führungskraft. Und das Wissen um die Existenz solcher Klumpatsch-Gestalten hilft, ihnen nicht auf den Leim zu gehen. Besonders Lustlosigkeit, Müdigkeit, Depression und Lähmung stehen unter besonderem Klumpatsch-Verdacht; das nachfolgende Lehrbeispiel geht auch noch einmal auf diesen Aspekt ein.
Eskalierte Polarisierungen
Außen wie innen ist eine Teambildung erschwert, wenn zwei (oder mehr) Beteiligte derart polarisiert sind, dass sie einander nicht ertragen können und teufelskreisartig immer extremer reagieren, um zu verhindern, dass der Feind die Oberhand gewinnt. Sobald der eine sich zur Geltung bringt, hält es den anderen nicht mehr auf dem Stuhl: Er wird nervös, greift hindernd ein, wird fies – oder erstarrt. In einem solchen Klima sind geordnete Teambesprechungen unmöglich.
Jetzt wird es nötig, vorübergehend das Tagesgeschäft auszusetzen und die beteiligten Kontrahenten zu einer Konfliktklärung an einen Tisch zu bringen. Die Vorgehensweise bei der inneren Konfliktbearbeitung ist derjenigen bei der Klärungshilfe realer Teams (Thomann 1998; Redlich 1997) wiederum verblüffend ähnlich. In einer Hinsicht allerdings hat es der Klärungshelfer realer Teams leichter: Die am Konflikt Beteiligten sitzen bereits leibhaftig vor ihm. Hingegen sind die inneren Kontrahenten im Seelenleben eines Menschen zunächst oft schwer zu identifizieren, weil sie in die wildwüchsige Vielfalt der inneren Regungen, Gefühle, Gedanken und Körperempfindungen eingelagert sind und wie in einem Vexierbild erst noch gesucht und entdeckt werden müssen (s. Abb. 44 a). Erst wenn sie klare Konturen gewonnen haben (s. Abb. 44 b), können sie herausgelöst werden und sich «auseinandersetzen» (s. Abb. 44 c)!
Abb. 44 a:
Innere Gegenspieler sind in die seelische Vielfalt schwer erkenntlich eingelagert
Abb. 44 b:
Deutliches Hervortreten innerer Gegenspieler als Voraussetzung für …
Abb. 44 c:
… eine Auseinander-Setzung (Konfliktklärung)
Fünf Phasen der inneren Konfliktbearbeitung
Die Identifikation der (inneren) Kontrahenten bildet die Phase 1 einer inneren Konfliktbearbeitung. Diese und vier weitere Phasen illustriere ich an folgendem Beispiel:
Eine Studentin, Lisa, 24 Jahre
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