Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation
alt, berichtet, sie sei in letzter Zeit so lustlos, ohne Energie und Elan, habe geradezu Arbeitsstörungen und komme in ihrem Studium nicht voran. Die Konfliktbearbeitung vollzieht sich im Rahmen einer Beratung mit Hilfe eines Klärungshelfers (KH).
1. Identifikation der Kontrahenten
KH (hegt Verdacht auf Klumpatsch-Bildung): Welche Stimme meldet sich denn in dir zu dieser Sache? Gibt es eine, die sich als Erste aufdrängt?
Lisa : Na ja, ganz klar: Ich sollte fleißiger und zielstrebiger sein, nach zehn Semestern endlich den Abschluss anstreben und mich überhaupt zusammenreißen!
KH : Ja, das klingt doch sehr vernünftig. Aber irgend jemand in dir findet, das sei keine gute Idee?
Lisa : Irgendwie kann ich nicht.
KH : Vielleicht auch: Irgendwie will ich nicht?
Lisa (stutzt, denkt nach): Ja genau, irgendwie will ich das auch noch gar nicht, so karrierebewusst und zielstrebig und nach dem Motto «Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben» und so.
KH : Gut, dann haben wir jetzt zwei innere Gegenspielerinnen ausgemacht. Die eine sagt: «Du sollst!», und die andere sagt: «Ich will aber gar nicht!» – Ich schlage vor, dass wir diese beiden jetzt genauer kennenlernen.
Nach dieser Phase 1 ist schon viel erreicht. Die inneren Gegenspielerinnen sind identifiziert, der ursprüngliche Klumpatsch (Lustlosigkeit) hat sich in zwei antagonistische Energieträger verwandelt. Diese haben bis jetzt noch keine Namen, aber das kann warten, bis sie sich genauer offenbart haben. Genau dafür ist die Phase 2 vorgesehen.
2. Monologische Selbstoffenbarung der Gegenspieler
Der Klärungshelfer lädt die Studentin ein, sich nacheinander mit den beiden Gegenspielern zu identifizieren:
KH: Können wir mal zwei Stühle nehmen, und du setzt dich nacheinander auf jeden der beiden, versetzt dich zunächst ganz in die Haut der einen Gegenspielerin und sprichst mal in Reinkultur alles aus, was sie auf dem Herzen hat, o.k.?
Diese monologische Phase entfaltet bei der Klärungshilfe mit beruflichen Teams eine große Zauberkraft. Da von den anwesenden Kollegen und Konfliktpartnern niemand unterbrechen, «richtigstellen» oder sonstwie antworten darf, kann sich der jeweils Sprechende von seinen Beklemmungen befreien, indem er seine subjektive Wahrheit in Worte fasst – und sich zumindest vom Klärungshelfer, wenn nicht auch von den zuhörenden Gegnern, verstanden fühlt.
Ganz ähnlich auch bei der inneren Konfliktklärungshilfe: Es tut der Studentin gut, jeden Teil einmal «in Reinkultur» sprechen zu lassen, ohne dass gleich ein gereizter Gegenspieler dazwischenfunkt.
Die Zielstrebige , wie die Studentin dieses Teammitglied dann nennen wird, offenbart ihre Angst, dass Lisa im Wettlauf um die begrenzten Berufschancen nicht bestehen könnte, offenbart ihre Unruhe, wenn sie alle anderen so fit, clever und strebsam die Erfolgsleitern zimmern sehe. Aus dieser Angst und Unruhe heraus werde sie zur strengen Antreiberin.
Die Bremserin , wie sie vorläufig genannt wird, spricht von ihrer Sehnsucht, das Leben nicht zu verpassen («Vielleicht leben wir wirklich nur einmal!?»).
3. Dialog: Sich auseinander-setzen und aneinandergeraten
Mit der Bereitstellung zweier Stühle wird die «Auseinander-Setzung» dieser getrennten Einheiten gefördert und sinnfällig gemacht. Diese Zwei-Stuhl-Technik stammt aus der Gestalttherapie. Ihre Begründer, Laura und Fritz Perls, wussten aus der Psychoanalyse Freuds, dass im Menschen verschiedene Instanzen miteinander im Kampf liegen können, und zogen daraus die kreative Konsequenz, diesen Kampf leibhaftig zur Aufführung zu bringen und in einen Dialog zu überführen. Die «klassische» Auseinandersetzung in der Gestalttherapie ist die zwischen dem «Topdog» und dem «Underdog». Der «Oberhund» ist der Teil in uns, der uns streng und kritisch mustert und der im Namen eines Ich-Ideals Forderungen an uns stellt, wie wir sein sollten . Der «Unterhund» ist der Teil in uns, der sich ein feines Leben machen möchte und gegen all solche Forderungen rebelliert, der Ausflüchte erfindet, für Arbeitsstörungen sorgt und sich geradezu als «innerer Schweinehund» erweisen kann. Aber getreu dem Motto, dass jeder Mensch liebenswert ist, wenn er nur wirklich zu Wort kommt, kann auch der Underdog wertvolle und geradezu weise Regungen verkörpern und ausdrücken. So auch hier: In der dialogischen Phase der Auseinandersetzung wehrt er sich gegen die mahnenden Vorhaltungen des Topdogs und geht zum Gegenangriff über.
Bremserin:
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