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Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

Titel: Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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ich dich habe!») war eine Weile gut versorgt gewesen. Es gehört zur Bauweise des Menschen, dass das Gutversorgte im inneren Stimmenkonzert nicht mehr laut und deutlich hervortritt. Schreien tun die Schlechtversorgten, in seinem Fall: der Freiheitsliebende («Ich brauche mehr Abstand!»). Entsprechende Äußerungen trugen ihm von seiner Freundin schwere Vorwürfe und heftige Ausbrüche ein. Bei solchen Auseinandersetzungen passierte es: Nicht fähig, auch nur einen «kommunikativen Notdienst» aufrechtzuerhalten, starrte er stier und stumm an die Decke, fühlte nichts und hatte eine «Leere im Kopf». Kennen Sie das? Es lohnt sich zu prüfen, ob die Leere nicht das paradoxe Ergebnis einer inneren Überfülle ist . In diesem Fall tummelten sich in seiner Brust weitere Mitstreiter, wie er später herausbekam. Einerseits regte sich ein Fuchsteufelswilder , der es leid war, sich all die Beschimpfungen und Kränkungen seiner Freundin gefallen zu lassen. Bevor dieser aber richtig «durchladen» konnte, fiel ihm ein Selbstbeschuldiger in den Arm («Sie hat doch recht, sie hat doch recht! Du bist wirklich beziehungsunfähig!»); dieser innere Ankläger verbündete sich mit der wehrhaften Freundin und hackte auf dem wehrlosen Selbstzweifler herum, der immer kleiner und depressiver wurde («Mit mir ist auch wirklich nichts los – wie auch sonst im Leben!»). «Seid ihr völlig meschugge!?», empörte sich der Fuchsteufelswilde gegen diese innere Gerichtsverhandlung und verhinderte ihre Fortsetzung im Verein mit einem Abgeneigten («So viel liegt mir auch gar nicht an ihr. Ist sie überhaupt die Richtige für mich?»), welcher sich bislang hinter dem breiten Rock des Freiheitsliebenden verborgen gehalten hatte. Aber diesem Abgeneigten fiel sofort, bevor er überhaupt den Hintergrund seiner Abneigung spüren konnte, der Anhängliche panisch ins Wort: «Achtung! Gefahr! Hör sofort auf! Sonst vergraulst du sie, und ich bin mutterseelenallein!» – Sobald dieser Anhängliche wieder Sehnsucht nach Nähe aufkommen ließ, spürte der Freiheitsliebende den Strick um den Hals enger werden …
    Der «zerstrittene Haufen» hat sich zu einem perfekten System wechselseitiger Verhinderungen verknäult. Keiner der inneren Mitglieder darf vollständig gespürt und wahrgenommen werden, geschweige denn sich offenbaren. Folge: Der junge Mann fühlt nichts und äußert nichts (s. Abb. 42).

    Abb. 42:
    Multiples Patt bei einem distanzierten Liebespartner
    Würde dieses Drama auf der inneren Bühne lebhaft aufgeführt, könnte es zunächst nur als überaus beängstigend, bedrückend, vielleicht auch demütigend empfunden werden und der Ausweg zum Paartherapeuten (zum Innen-Teamentwickler) schlimmer als ein Gang zum Zahnarzt. Und ist der «Totstellreflex» in der Evolution der Natur nicht eine bewährte Überlebensstrategie? Jedenfalls ist die Neigung, in solchen Momenten den Kopf (und das Herz) in den Sand zu stecken (nichts mehr zu spüren, zu hören, zu äußern), eine nunmehr nachvollziehbare Notreaktion. Erliegen wir nur nicht dem Irrtum, dass in Menschen, die nichts fühlen, nichts vorgehen würde!

    Profi und Mensch in der beruflichen Rolle. Punktuelle Pattkonstellationen ereignen sich tausendfach auch im beruflichen Bereich. Ein junger Kursleiter berichtet:

    Abb. 43:
    Patt zwischen professionellen und menschlichen Anteilen
In einem Seminar zum Thema Zeitmanagement führten wir am Ende des ersten Tages eine Aussprache in der Gruppe durch, wo jede(r) sagen konnte, wie er oder sie bisher zufrieden war. Bevor ich die Einladung zu dieser Runde zu Ende sprechen konnte, fiel mir eine Teilnehmerin gleich ins Wort und «meckerte» herum: Das habe ihr bisher alles gar nichts gebracht, und sie sei doch erstaunt, wie man in einem Seminar über Zeitmanagement derart seine Zeit vertun könne! – Ich hörte mein Herz pochen und eine Wut in mir hochsteigen: Das war starker Tobak! Natürlich war mein nächster Gedanke: Es wäre jetzt völlig falsch, aus der Haut zu fahren – ich sollte einfach die Unverschämtheit übergehen und sachlich nachfragen, welche Erwartungen sie hätte, und klären, ob diese in meinem Seminar erfüllt werden können. Also, ruhig Blut und souverän reagieren! Aber das wäre doch nicht authentisch, das wäre doch eine reine Maske! Ich war handlungsunfähig, hab sie nur verdattert angestarrt – und kam mir zu meiner Schande völlig hilflos vor (s. Abb. 43).
    Wieder haben wir den typischen Fall einer gegenseitigen

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