Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation
Beispiel durch Vergegenwärtigung seines Erscheinungsbilds oder einer Szene, in der er ganz groß herausgekommen ist. Oder, wenn er in meinem Seelenleben völlig unbekannt sein sollte: Kenne ich vielleicht jemanden, der mir nahe ist oder nahe war, der diesen risikofreudigen Abenteurer verkörpert? Dann kann ich diese Person mental herbeirufen und vor meinem geistigen Auge (oder durch ihre Stimme in meinem Ohr) erstehen und mich von ihrer Qualität anstecken lassen. Bei diesem Vorgehen hat die Mobilisierung von Ressourcen Vorrang vor der Bekämpfung oder Heilung von Defiziten.
Fassen wir die Prinzipien zusammen, die uns im Umgang mit inneren Widersachern leiten können:
Die Identifikation des Bösewichts (Quälgeists) macht aus der (oft nonverbal-mächtigen) grauen Eminenz einen greifbaren Täter, der mit der Steckbriefmethode dingfest gemacht werden kann.
Zunächst durch Identifikation («Er ist ein Teil von mir !»), dann durch Disidentifikation («Er ist nur ein Teil vom mir!») befreit sich das Oberhaupt aus der Belagerung und gewinnt an Steuerungsfähigkeit.
Statt einer weiteren Bekämpfung des Bösewichts wird seine Funktion und Leistung im Gesamtzusammenhang des Systems ermittelt und gewürdigt (mit Hilfe des Wertequadrats sowie durch Unterscheidung von Absicht und Methode).
Die Suche nach heilsamen Gegenspielern ermöglicht schließlich eine Teamentwicklung , innerhalb welcher der innere Widersacher seine Feind-Qualität endgültig verliert und seinen Wertbeitrag auf andere Art als zuvor beisteuert.
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4.
Aufbau und Dynamik der Persönlichkeit im Lichte des Modells vom Inneren Team
4.1
Das Ensemble auf der inneren Bühne
Wie können wir uns den Aufbau der Persönlichkeit im Lichte des Modells vom Inneren Team vorstellen?
Anstelle einer festgefügten Struktur («So bin ich nun einmal – und nicht anders!») kommt uns sogleich die innere Gruppendynamik vor Augen, das lebendige Wechselspiel verschiedener Teilkräfte, das Miteinander und Gegeneinander von Mitspielern auf einer Bühne, deren Vorhang für ein Publikum mehr oder weniger auf- und zugezogen werden kann. Wir wechseln jetzt die Metapher und schauen uns die Bühne, das Ensemble und den Regisseur oder die Regisseurin genauer an. Damit liegt der Akzent nun auch mehr darauf, dass die inneren Mitglieder nicht nur Wortmelder und Teilnehmer innerer Teamkonferenzen sind, sondern auch im «Außendienst» zu sichtbaren Akteuren im zwischenmenschlichen Kontakt werden (vgl. Abb. 9, S. 41).
Die alten Typologien haben uns glauben machen wollen, der Mensch sei entweder so oder so, zum Beispiel entweder prinzipienfest, verlässlich, ordnungsliebend – oder aber kreativ-chaotisch, voll neuer Ideen und wechselhaft. Oder er sei entweder hilfreich, herzlich, voller Wärme und Anhänglichkeit – oder aber kühl und distanziert, rational und hart. Daran ist sicher zutreffend, dass jeder Mensch in seinem inneren Ensemble über ein paar Stammspieler verfügt, die oft und gern die vorderste Reihe besetzen. Das sind diejenigen Mitglieder des Inneren Teams, die in der Lebensgeschichte des Individuums aufgrund besonderer Erfolge Karriere gemacht haben und von daher besonders «bühnenerprobt» sind und die Außenwirkung eines Menschen bestimmen.
Aber diese Stammspieler, die in vielen Stücken, die auf dem Spielplan stehen, die Hauptrollen übernehmen, sind keineswegs die einzigen Mitglieder des Ensembles – mögen sie auch die einzigen sein, die im Rampenlicht stehen und in Erscheinung treten. Im schlecht ausgeleuchteten Hintergrund der Bühne und hinter den Kulissen gehören viele andere dazu: zum Teil sehr verletzliche und schutzbedürftige Wesen, die alte Wunden tragen und Angst haben, sich dem Publikum zu zeigen, die heilfroh sind, wenn sie sich hinter den Matadoren mit den großen und breiten Schultern verbergen können – wer weiß denn, ob da vorn nicht noch wieder geschossen wird? Sollen doch die Gepanzerten und die mit den kugelsicheren Westen an die «Kontaktfront» treten!
Zum Teil sind es auch finstere Gestalten à la Mr. Hyde, die dem Ideal sittlicher Menschlichkeit hohnsprechen, innere Teufel und Schweinehunde, die, egoistisch, kleinlich, lüstern, pervers, herrschsüchtig, eifersüchtig, über Leichen gehend, all das Abgründig-menschlich-allzu-Menschliche verkörpern, wofür man sich als anständiger Mensch schämt und womit man sich da vorn keine Freunde macht.
Zum Dritten finden sich im Bühnenhintergrund auch
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