Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation
erfinden, was diesen Bedenken Rechnung trägt. Denn wer heute Bedenken hat, wird morgen das Veränderungsprojekt sabotieren, wenn seine Bedenken nicht gehört werden – ganz so wie in normalen Gruppen auch.
Einordnung ins Wertequadrat. Alternativ oder ergänzend dazu kann das Wertequadrat für die Suche nach dem Wertbeitrag des inneren Widersachers eine gute Hilfe bieten. Dem Wertequadrat liegt bekanntlich die Philosophie zugrunde, dass jeder Unwert, jede destruktive Qualität eine entgleiste Tugend («des Guten zu viel») darstellt, welche deswegen entgleisen konnte und musste, weil eine dazugehörige Schwestertugend nicht oder nicht ausreichend vorhanden war, um das konstruktive Tugendgleichgewicht zu sichern. Nehmen wir noch einmal den Katastrophenlüstling als Beispiel. Welchen Wertbeitrag enthält er (wenn auch des Guten zu viel)? Auf jeden Fall steckt darin eine risikoabwägende Bedenklichkeit , die man jedem Draufgänger unbedingt verschreiben möchte. Welche Schwestertugend muss hinzukommen, damit die genannte Tugend nicht entgleist? Eine risikofreudige Abenteuerlust , ohne die das Leben fade und eingleisig werden kann. Auch diese Schwestertugend muss, wenn sie allein auf weiter Flur steht, entgleisen: in ein tollkühnes und leichtfertiges Draufgängertum. – Nun ist das Wertequadrat fertig. Wenn wir statt der Tugenden die entsprechenden Teammitglieder eintragen, sieht es so aus:
Mit Hilfe dieses Wertequadrats sehe ich, der ich einen Katastrophenlüstling als «inneren Feind» ausgemacht habe, dreierlei auf einen Blick:
oben links den konstruktiven Wertbeitrag, den mein entgleister Bösewicht zu leisten imstande wäre und welcher ihn zu einem potenziellen «inneren Freund» macht;
unten rechts einen inneren Gegenspieler, der vielleicht darauf lauert, die Macht zu ergreifen, würde er nicht «mit Dominanz und Penetranz» in Schach gehalten werden;
oben rechts den konstruktiven Zwillingsbruder derjenigen Tugend, die in meinem Widersacher enthalten ist; er müsste entwickelt und ermutigt werden, die innere Bühne zu betreten, damit das obere Zwillingspaar ein Team bilden kann.
Herbeiholen oder Entwicklung heilsamer Gegenspieler
Mit dem letzten Satz ist der nächste Schritt im Umgang mit inneren Widersachern vorgezeichnet: das Herbeiholen von inneren Gegenspielern, die eine heilsame Ergänzung zum Beitrag des Widersachers enthalten und ihn zur Teambildung einladen.
In diesem Beispiel also: Wo ist der risikofreudige Abenteurer in mir? Können wir ihn auf die Bühne holen und sprechen lassen? Schon so ein kleiner, künstlich inszenierter Auftritt könnte ihn stärken oder entfesseln. Vielleicht ist er noch klein, unterentwickelt und will erst noch wachsen. Dann hätten wir ein kleines Teamentwicklungsprojekt, das auf Wachstum ausgerichtet ist (und nicht auf Bekämpfung und Ausmerzung).
Dasselbe Prinzip, heilsame Gegenspieler auf den Plan zu rufen, finden wir in der Transaktionalen Analyse (Schlegel 1995), die den modernen Menschen von vielfachen «Antreibern» umzingelt sieht, welche aus der Seele einen Kasernenhof machen können. Demgegenüber werden «Erlauber» aus der Taufe gehoben und eingeübt, die ein heilsames Gegengewicht in den inneren Betrieb bringen (Rogoll 1976):
Antreiber
Erlauber
«Sei perfekt!»
«Sei du selbst!»
«Mach schnell!»
«Nimm dir Zeit!»
«Streng dich an!»
«Tu es gelassener!»
«Mach es allen recht!»
«Bejahe dich selbst!»
«Sei stark!»
«Respektiere dich und deine Grenzen!»
Bei der Etablierung heilsamer Gegenspieler ist es allerdings von geringem Wert, sich ihre Kernsätze per Selbstsuggestion vorzusprechen («Ich bin liebenswert und heute wird mir alles gelingen!»). Dies ist zwar zeitsparend («Mach schnell!»), aber die Gefahr ist naheliegend, dass diese gutgemeinte Stimme an der Lippe hängenbleibt, derweil in der Brust ganz andere Mächte toben. Empirische Untersuchungen zur «Selbstkommunikation» (Tönnies 1994) legen nahe, dass autosuggestive Verfahren keine zusätzlichen Effekte nach sich ziehen, die nicht allein durch Entspannung erreichbar sind (Tönnies, S. 201).
Aussichtsreicher scheint es, die innerlich vorhandenen Kraftquellen aufzusuchen und zu mobilisieren, wie dies im Ansatz des NLP betont wird. Für unser Beispiel demonstriert: Kenne ich so einen risikofreudigen Abenteurer in mir, vielleicht von früher, vielleicht aus anderen Lebenszusammenhängen? Dann kann ich, das Oberhaupt, lernen, ihn im erwünschten Kontext herbeizurufen, zum
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