Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation
Schlimme daran, spießig zu sein?» – Die Theorie hinter dieser Frage: Wenn innere Leitsätze mit der Wucht der Unbedingtheit (ich muss unbedingt, darf auf keinen Fall!) ausgesprochen werden, steht dahinter die Angst vor einer subjektiven Katastrophe, die bei einer Verletzung des Imperativs eintreten würde. Wenn es gelingt, dem Gedanken an diese (vermeintliche) Katastrophe einmal nicht auszuweichen, sondern im Gegenteil sie mit aller Deutlichkeit vor Augen zu führen und dabei all jene Gefühle und Ängste durchzuarbeiten, die an diese Katastrophenphantasie gekoppelt sind, dann verliert der Imperativ seine verbiesterte Intensität (siehe dazu den Beratungsansatz von Angelika Wagner 1984).
Wohlgemerkt, es geht nicht darum, diesen Teil im Leben dann «herauszulassen», das heißt, eine spießige Wirtin zu werden. Dann hätten wir eine neue Hauptdarstellerin und wiederum kein Inneres Team. Vielmehr geht es darum, diese Verbannte als wertvolles Mitglied der inneren Gesellschaft zu entdecken, sodass sie, rehabilitiert und aus dem Gefängnis befreit, für Kooperation und Teambildung zur Verfügung steht. Im Zuge der Rehabilitierung wird es auch nötig, ihr einen neuen, jetzt nicht mehr (selbst-)abwertenden Namen zu geben, welcher ihre positive Leistung im Inneren Team widerspiegelt, zum Beispiel die Abgrenzungsfähige , die vortrefflich imstande sein wird, ihre liberale Schwester zu ergänzen und mit ihr zu kooperieren. «Du kannst gern …», sagt dann die eine und lässt ihrem großzügigen Herzen freien Lauf – «Was ich aber nicht möchte …», ergänzt die andere und sorgt dafür, dass die Gesamtperson ihre Grenzen nicht überschreitet.
Diese Idee der inneren Teamentwicklung durch Integration der Außenseiterin ist in Abbildung 65 veranschaulicht:
Abb. 65:
Innere Teamentwicklung durch Integration einer Außenseiterin
Im dazugehörigen Wertequadrat (s. Abb. 66) ist wieder gut zu erkennen, wie die beiden Schwestertugenden erst durch Teambildung und Balance ihre positive Qualität entfalten können. Solange sie allein auf der Bühne stehen, verkommt ihre Tugend und wird zur menschlichen Störgröße.
An diesem Werte- und Entwicklungsquadrat erkennen wir etwas von allgemeiner Bedeutung. Im Band 2 von «Miteinander reden» lautete die Lehre: Wenn von zwei Gegenqualitäten nur die eine vorhanden ist bzw. gelebt wird, entwertet sie sich durch Übertreibung («zu viel des Guten») und verkommt zur Untugend. Entsprechend verläuft die notwendige Entwicklungsrichtung (von unten links nach oben rechts) hin zur Gegenqualität, welche bisher nicht hinreichend vorhanden oder entwickelt ist.
Abb. 66:
Innere Teamentwicklung im Werte- und Entwicklungsquadrat
Nun können wir – in Kenntnis der Dynamik eines inneren Ensembles – hinzufügen: Diese bisher vermisste und erst noch zu entwickelnde Gegenqualität ist häufig durchaus vorhanden: Sie wartet, auf den Innendienst reduziert, als Verbannte auf ihre Befreiung. Allerdings fühlt sie sich hässlich an, weil sie sich, in Ermangelung eines Teamzusammenhangs, ihrerseits im «Aggregatzustand» der entwertenden Übertreibung befindet. Solange die beiden Tugendschwestern nicht vereinigt sind, polarisieren sie sich, die eine (idealisiert) in den Außendienst, die andere (verteufelt und verbannt) in den Innendienst.
So kommt es, dass sich der Berater bzw. Selbstberater mit besonders liebevoller Zuwendung des hässlichen jungen Entleins im inneren Ensemble anzunehmen hat.
Hindernisse der Integration
Bevor die Integration und die Verwandlung in einen schönen Schwan jedoch gelingen kann, sind erst noch drei Hindernisse zu beachten und zu überwinden: Die ehemaligen Außenseiter sind bei ihren ersten «Auftritten» häufig
unwillkommen bei der Mitwelt,
ungeschickt und rüde im Auftreten,
sie werden angefeindet von den eigenen inneren Teampartnern.
Unwillkommen bei der Mitwelt. Dies ist eine zunächst schmerzliche Erfahrung vieler Menschen, die im Lauf ihrer persönlichen Entwicklung die Grenzen der angestammten Verhaltensmuster erstmalig überschreiten und sich von einer neuen Seite zeigen: Die Mitwelt (Ehepartner, Arbeitskollegen, Chef und Freunde) neigt oft gar nicht dazu, den Persönlichkeitsfortschritt ihres Partners zu feiern und mit offenen Armen willkommen zu heißen. Im Gegenteil, sie ist irritiert und befremdet: «Was ist denn plötzlich mit dir los!?» Dies liegt zum einen daran, dass eine sich entwickelnde Persönlichkeit häufig weniger
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