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Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

Titel: Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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«pflegeleicht» wird, zumindest dem Beziehungspartner zumutet, auf das Altvertraute und Gewohnte zu verzichten. Das bedeutet nichts anderes, als dass sich die Beziehungen verändern  – und bevor eine menschliche Beziehung ein neues Gleichgewicht gefunden hat, geht sie durch eine labile und meist auch auseinandersetzungsreiche Phase. Es ist ratsam, auf einen solchen Gegenwind von vornherein gefasst zu sein.

    Ungeschickt und rüde im Auftreten. Oftmals fühlen sich die Beziehungspartner auch zu Recht verprellt, weil die «Neue» im Außendienstteam anfangs noch recht unzivilisiert in Erscheinung treten kann. Wer jahrelang im Gefängnis war, ist einer plötzlichen Freiheit nicht gleich gewachsen. Möglich ist dann, dass die Abgrenzungsfähige sich zunächst in einer Mischung aus Ungeschicklichkeit und Aufgeladenheit etwas rüde und überreagierend benimmt. Solange die «Neue» im eigenen Team noch nicht vollständig integriert ist, solange ihr Auftreten zum Beispiel noch nicht mit Diplomatie und Gelassenheit gepaart ist, kommt sie vielleicht noch mit der Wucht derjenigen daher, die allzu lange etwas heruntergewürgt hat. In solchen Fällen mag eine metakommunikatorische Nachbemerkung am Platz sein, etwa von der Art: «Tut mir leid, wenn ich überreagiert und dich verletzt habe. Ich habe so lange Zeit die Großzügige gespielt, dass die andere Seite jetzt erst mal doppelt und dreifach stark hervorkommt!»

    Angefeindet von den inneren Teampartnern. Das dritte Hindernis besteht darin, dass die «Neue» auch in der eigenen (Vorder-)Mannschaft nicht gleich mit offenen Armen empfangen wird. Zu groß sind noch die Vorbehalte. Bevor die Großzügige und die Abgrenzungsfähige ein Team bilden können, müssen sie zunächst miteinander in Kontakt kommen, sozusagen ihre Beziehung klären. In der Kommunikationsberatung unterstützen wir diesen Prozess, wie bereits im Konflikt-Kapitel beschrieben (S. 175ff.), durch eine Anleitung zum inneren Dialog mit Hilfe der Zwei-Stuhl-Technik. Möglich, dass der Teamneuling, der bisherige Außenseiter, zunächst noch die volle Wucht der Ablehnung zu spüren bekommt: «Du bist doch kleinkariert und spießig!» Und auf die Frage, was daran so schrecklich sei (vgl. S. 253f.), mag vielleicht die Großzügige plötzlich ausrufen: «Du bist haargenau wie Vater! Auch wie du redest: Originalton Papa!» (s. Abb. 67).

    Abb. 67:
    Innerer Außenseiter «entpuppt» sich als elterliches Erbe
    Tatsächlich: Wir erben ja alle nicht nur in genetischer und finanzieller, sondern auch in psychischer Hinsicht. Die wichtigen Menschen unserer Biographie leben in uns weiter als Mitglieder unseres inneren Ensembles (bis hin zum «Originalton»). Meine Frau spricht mich manchmal scherzhaft mit dem Namen meines Vaters an, wenn sie den Eindruck hat, dass dieser jetzt gerade in mir lebendig und aktiv wird. Präziser gesprochen: dass ein typisches Teammitglied von ihm in mir wiederkehrt.
    Eigentlich ist dies ja eine schöne Vorstellung, dass wir unsere Lieben in uns versammelt haben und sie dadurch lebendig bleiben. Als weniger schön empfinden wir es jedoch, wenn wir plötzlich gewahr werden, dass auch die verhassten Seiten unserer Lieben in uns wieder auftauchen, obwohl wir so auf gar keinen Fall werden wollten. Durchaus möglich, dass die Großzügige deshalb zu einer so prominenten Stammspielerin werden konnte und musste, um diesen verhassten väterlichen Erbteil von der Bühne fernzuhalten. Nun aber schleicht er sich durch die Hintertür ein und erhebt Anspruch auf einen Stammplatz.
    Hier gilt nun Goethes Lehrsatz: «Was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen!» Das heißt in diesem Zusammenhang: Nimm das elterliche Erbe an, du kannst es nicht ausschlagen, allenfalls in dir bekämpfen – und das kostet Kraft. Nimm es aber nicht als einen Fremdkörper in dir auf, sondern verbinde es mit deiner eigenen Substanz, veredle es auf diese Weise, und mache es dir so zu eigen. Wenn zum Beispiel das väterliche Erbe der engen, kleinkarierten Grenzziehung sich mit deiner Liberalität verbindet, verwandelt es sich zu etwas sehr Gutem: zu der Fähigkeit, sich im Rahmen der Großzügigkeit auch abzugrenzen!
    Große Gegenkräfte sind wirksam, wenn es um die Integration innerer Außenseiter geht, die der zweiten Stufe der Verbannung anheimgefallen sind. Wir dürfen annehmen, dass Menschen, denen diese Schwerarbeit gelungen ist, weniger anfällig dafür sind, andere Menschen zu verachten, zu verhöhnen,

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