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Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

Titel: Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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auszugrenzen, als Außenseiter zu verfolgen, sobald sie verpönte Eigenschaften aufweisen. Denn es ist ja zum Teil dem seelischen Mechanismus der Projektion zu «verdanken», dass wir auf der äußeren Lebensbühne fremdenfeindlich bekämpfen müssen, was wir auf der inneren Seelenbühne nur mühsam mundtot machen konnten, nach dem Motto:
Wozu ich nicht recht stehen kann,
das häng’ ich einem andern an!
    Oder wie es bei Robert Gernhardt heißt:
Die schärfsten Kritiker der Elche
waren früher selber welche!
    Sie tragen den «Elch» bereits in sich.

    Fassen wir zusammen: Die Integration innerer Außenseiter, die der zweiten Stufe der Verbannung anheimgefallen sind, gestaltet sich weitaus schwieriger als auf der ersten Stufe. Mit erheblichen Gegenkräften (Widerständen) auf beiden Bühnen ist zu rechnen. Dennoch ist diese seelische Schwerarbeit lohnend um der inneren Harmonie willen, die auch auf äußere Hassprojektionen verzichten kann. Die wohlverstandene Entwicklung der Persönlichkeit peilt nicht ein «schönes Ideal» an, das um alle ideologisch verpönten Eigenarten bereinigt wäre (Verbannung von Außenseitern und Optimierung der Vorzeigehälfte), sondern darauf, gerade diese in den inneren Konferenzen mit Sitz und Stimme vertreten sein zu lassen und sie als Ko-Akteure einzubeziehen. «Dass ich mehr und mehr versuche, der zu werden, der ich in Wahrheit bin» (Carl Rogers), dieses un-ideale Ideal enthält einen Willkommensgruß an alle Gestalten, die sich am hinteren Bühnenrand herumdrücken – auch zum Beispiel an den Spießer in uns, der im inneren Teamzusammenhang die Fratze des hässlichen Spießbürgers verliert und zu vollständigerer Beachtung eigener Grundbedürfnisse verhelfen kann.

4.6
    Die dritte Stufe der Verbannung
    Wenn wir nun auf die dritte Stufe der Verbannung zu sprechen kommen, dann ist es an der Zeit, das Bild von der inneren Bühne noch zu erweitern und die Vorstellung einzuführen, dass sie nicht nur einen Vorder- und einen Hintergrund , sondern auch einen Untergrund hat (s. Abb. 68).

    Abb. 68:
    Die innere Bühne mit Vordergrund, Hintergrund und Untergrund
    Diese dritte Stufe der Verbannung trifft solche Mitglieder unseres Ensembles, die dem Oberhaupt und den Hauptdarstellern so bedrohlich erscheinen, dass sie auch hinter dem Vorhang nicht geduldet werden können und ganz von der Bildfläche verschwinden müssen.
    Die erste Stufe der Verbannung traf Antipoden, die von ihrem «Besitzer» prinzipiell als wertvolle Mitglieder der inneren Gesellschaft angesehen werden, aber in einer gegebenen Situation aus Opportunität oder mangels Angemessenheit zurückgehalten werden. Die zweite Stufe widerfuhr abgelehnten Außenseitern und war durch das Verbot gekennzeichnet: «So sollte ich nicht sein!» Die dritte Stufe trifft verleugnete, nicht wahrgenommene Mitglieder: «So bin ich nicht!» Sie bleiben nicht nur dem Publikum verborgen, sondern weitgehend auch dem Regisseur. Sie haben sich scheinbar auch aus dem Innendienst zurückgezogen.

    Die Verbannung in den Untergrund hat zunächst den Vorteil, dass die gruppendynamischen Verhältnisse auf der Bühne übersichtlicher und verkraftbarer werden. Auch genießen die Verbannten im Untergrund größtmöglichen Schutz vor Verletzungen (zum Beispiel wenn das Publikum mit Steinen wirft). Gleichwohl geht von den Unter- und Abgründigen eine Dynamik aus, die sehr gefährlich werden kann. Ihr Auftrittsverbot vermag ihre Lebenskraft nicht zu bannen . Immer wieder versuchen sie sich zu melden, indem sie mit dem Besenstiel an die Decke klopfen. Zwar vernimmt man oben diese Klopfgeräusche, vielleicht als Stimmungsschwankung oder als Kopfschmerz; vielleicht stören sie auch den Schlaf oder mischen sich in (Alb-)Träume ein. Aber man kann sich oben keinen Reim auf diese Geräusche machen. Und da sie nicht zum Stück passen, das dort gespielt werden soll, versucht man sie zu überhören. Ein probates Mittel, um dieses Ziel zu erreichen: Mehr Lärm! Mehr Aktion! Keine Pausen!
    Unsere gesamte Lebensführung können wir über weite Strecken als eine Strategie zum Überhören der Klopfzeichen auffassen. Wer süchtig nach Stress ist, vermeidet eine Weile erfolgreich die Begegnung mit den Boten aus dem Untergrund. Dabei handelt es sich keinesfalls nur um lichtscheues Gesindel, das antisoziale Energie in sich trägt. So, wie in einer Gesellschaft mit einem Unrechtsregime oftmals gerade die Besten von der Bildfläche verschwinden, weil sie unbequem sind und für

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