Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation
Kommunikationstrainer, (Team-)Supervisoren und Teamentwicklungshelfer haben hier ihre größten Erfolge und sehr befriedigende berufliche Erfahrungen. Und viele Teams können aus eigener Kraft deutlich vorankommen. Wenn allerdings eine Verbannung zweiter Stufe der Fall ist, liegen die Dinge schwieriger.
4.5
Die zweite Stufe der Verbannung
Die erste Stufe war gekennzeichnet durch den Satz: «So bin ich zwar (gottlob) auch, so sollte ich hier aber besser nicht in Erscheinung treten!» Hier siegt die Opportunität (und zuweilen durchaus ein angemessenes Gespür für die Situation, vgl. Kapitel 6) gegen die innere Wahrheit. Für die zweite Stufe der Verbannung gilt der Satz: «So bin ich (leider) auch, aber so sollte ich nicht sein!»
Hier sind es das Oberhaupt und sein Stammpersonal selbst, die Vorbehalte gegen den Antipoden hegen und sich seiner schämen. Sei es, dass sie ihn für a) lächerlich, erbärmlich, minderwertig, dumm (Ebene der Kompetenz) oder b) verwerflich, fies, unmenschlich (Ebene der Moral) oder c) krankhaft, unnormal, pervers, pathologisch (Ebene der seelischen Gesundheit) halten. Ich spreche von «inneren Außenseitern» (s. Abb. 62). Sie verkörpern Regungen, Gedanken, Gefühle, Impulse, die ich zwar mehr oder minder deutlich spüre, zu denen ich aber nicht stehen kann, nach dem Motto:
Was grummelt da in meinem Bauch?
Ach, du Schreck! So bin ich auch!?
Abb. 62:
Innerer Außenseiter (hinter Gittern)
Versuchen wir mit ein paar Beispielen, das Phänomen einzukreisen:
Ein Schüler mit hohem Leistungsanspruch an sich selbst versteht die Erklärungen seines Physiklehrers nicht, kann dazu aber nicht stehen (und zum Beispiel nachfragen), weil er den Dummi , den Schwer-von-Begriff in sich als großen Makel empfindet. Wir können annehmen, dass auch die Gruppennorm in der Klasse mit darüber entscheidet, wie stark die Verbannung ausfällt. Vielleicht muss jeder, der etwas nicht kapiert und mehrfach nachfragt, mit einem ungeduldigen Gestöhne der Mitschüler, vielleicht auch des Lehrers rechnen.
Ein Jubilar fühlt sich durch Würdigungen und Danksagungen seiner Chefs und Kollegen sehr gerührt. Da er aber von sich das Bild eines Mannes hat, der souverän und rational über den Dingen steht, ist ihm dieses rührselige Weichei , das ihm Tränen in die Augen treibt und seine Stimme bricht, überaus peinlich. Durch eine laute und forsche Sprache, durch ein paar robuste Bemerkungen gewinnt er seine Fassung zurück.
Der Vertriebsleiter eines Großunternehmens hat in schwierigen Zeiten überaus viel zu tun. Es meldet sich in ihm eine Stimme: «Hilfe, ich kann nicht mehr, ich bin am Ende meiner Kraft!» Da er aber – vor sich selbst und vor seinem Chef – das Image eines dynamischen und belastbaren Managers hat, empfindet er diese ausgebrannte Schlappwurst als überaus kläglich («Schwaches Bild!»). Er beißt die Zähne zusammen, um sie unter Verschluss zu halten.
Jemand spürt zuweilen den Wunsch, groß herauszukommen und viel Geld zu verdienen. Er gehört aber einer gewerkschaftlichen oder ökologisch-alternativen Bewegung an, mit deren Werten er sehr identifiziert ist. Infolgedessen nimmt er diesen ehrgeizigen Karrieristen in sich nur mit Unbehagen zur Kenntnis und hofft, von seinen Gesinnungsfreunden nicht ertappt zu werden. Denn wenn jemand in den eigenen Reihen Züge aufweist, die dem ideologischen Gegner zugerechnet werden, kann eine gnadenlose Ketzerjagd einsetzen.
Dem Gruppenleiter in einem chemischen Großkonzern schlägt ein ausgeprägtes ökologisches Gewissen. Er nimmt aber teil an der offiziellen Denkhaltung und Sprachregelung seines Unternehmens, welche ökologische Bedenkenträger als ideologisch verblendet und als unrealistische Träumer verunglimpft und ein wenig der Lächerlichkeit preisgibt. Er bekommt jeweils ein sehr mulmiges Gefühl, wenn sich sein ökologisches Gewissen regt.
Eine Frau könnte zuweilen ihr einjähriges Kind «an die Wand klatschen» – und ist entsetzt über sich selbst, da sie sich nichts sehnlicher wünscht, als ihrem Kind eine gute Mutter zu sein.
Ein Lehrer verspürt Angst gegenüber einem seiner Schüler, dem er Gewalttätigkeit zutraut. – Da er ein ganzer Mann und kein Angsthase und Feigling sein will, versucht er seine Angst zu ignorieren.
Eine Mitarbeiterin hat in und an ihrem Team manches auszusetzen. Da sie aber diese nörgelnde Xanthippe in sich widerlich findet («Ich fühle mich dann selbst so hässlich!»), macht sie gute Miene zum bösen
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