Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition)
bin, wenn er da ist, und nicht mehr mich selbst, meine eigenen Gedanken und meinen eigenen Weg vor Augen habe.»
«Da er dann kommt, wenn ich Abwehr zeige, zwinge ich mich manchmal richtig dazu, möglichst abweisend zu sein. Ich finde das ein ganz übles Spiel, aber wenn ich es ihm zeige, daß ich mit ihm zusammen sein will, kriege ich es ja nicht.»
«Ich überlegte immer, wie ich sein muß, um das zu kriegen, was ich will. Immer mit der Vernunft dazwischen, nicht so, wie das Gefühl gerade ist. Ich glaube, das macht zum Teil die ganze Ehrlichkeit zunichte …»
Sei es nun durch bewusste Taktik (die kurzfristig durchaus «funktionieren» kann), sei es durch ängstliches und halbbewusstes Sich-nach-dem-Partner-Ausrichten – in beiden Fällen verliert der Nähe-Partner sich selbst, macht sich zum Trabanten.
In dem Maße aber, wie er sich abhängig macht und auf den Distanz-Partner fixiert, verstärkt er bei diesem Unbehagen und Abwehr, die ohnehin schon auf der Lauer liegen:
«Nach zwei Jahren habe ich dann gemerkt, daß mir diese ganze Anhänglichkeit, die er hatte, auf den Keks ging.»
Der Distanz-Partner fühlt sich bedrängt, verfolgt, ausgesaugt, belagert und angebunden. Seine innere Abwehr geht gleichsam in die Augen hinein; wie man sagt, dass «Schönheit im Auge des Betrachters liege», so trifft auch das Gegenteil zu: Der Partner wird nun als unattraktiv wahrgenommen. Oft sind es kleine Un- oder Eigenarten (zum Beispiel wie er isst, seine Hände hält, manche Sätze unvollständig lässt, wie er sich kleidet oder schminkt, wie er riecht oder was er für Ansichten hat), die als «Grund» für die Distanz nicht nur angeführt, sondern tatsächlich empfunden werden. Diese Allergien bilden zusätzlich Treibsatz für den Teufelskreis. Nachdem der Distanz-Partner seinem Nähe-Partner dessen Fehler «an den Kopf geknallt» hat, versucht dieser, es ihm recht zu machen – und löst damit prompt eine neue und nun wirklich profunde Allergie aus: «Daß du dich so nach mir richtest und mir alles recht machen willst!!» – Oft geraten die Partner an dieser Stelle in eine Falle, in die «Sei selbständig-Paradoxie» . Der Distanz-Partner legt dem anderen nahe, doch einmal etwas für sich auf die Beine zu stellen, sich unabhängig zu machen von den eigenen Direktiven und Wünschen. Nun ist der Nähe-Partner in der paradoxen Falle gefangen: Probiert er, diesem Ratschlag zu folgen, fehlt diesen Unabhängigkeitsstrebungen doch der eigene Impuls, geschehen sie im Grunde doch «ihm/ihr zuliebe»! Setzt er sich hingegen zur Wehr und zeigt darin seine Eigenständigkeit, bleibt er abhängig.
Aber auch ohne diese Falle ist die Anhänglichkeit des Nähe-Partners allein schon ausreichend, ihn in den Augen des anderen immer unattraktiver werden zu lassen:
«Auch ihre Schwäche in dem Augenblick ist mir wahnsinnig auf den Geist gegangen, gegen meine Stärke gegangen. Ich hatte streckenweise wirklich Phantasien, daß sie sich wirklich sehr an mich klammert und immer nur die Kleine und Hilflose ist und ich immer nur der Große … Ich kann es jetzt nicht so genau sagen, aber ich habe jetzt so den Gedanken, sie konnte mir in diesen Augenblicken nichts bieten, sie war nichts, so ohne Reiz und Glanz. Bildhaft übertrieben, eben so ein verheultes, uninteressantes, kleines Wesen.»
Was den Distanz-Partner zusätzlich «nervt», ist der vom Nähe-Partner immer wieder betriebene Versuch, «darüber zu reden»:
«Immer, wenn ich über das, was zwischen uns lief, reden wollte, war er völlig entnervt.»
«Ich kenne das ganz gut auch aus anderen Beziehungen, wenn jemand mit soo einem Gesicht durch die Gegend rennt, weil in der Beziehung was nicht in Ordnung ist: er will das nun geklärt haben, und ich weiß überhaupt nicht, was er da nun großartig klären will.» (weibl.)
«Auch Mitleid und umbringen, er fing an zu trinken, rief mich immer wieder an, schickte Telegramme und Blumen. Das wollte ich alles nicht: … Er wollte immer wieder alles besprechen, besprechen, besprechen, und ich konnte und wollte das nicht mit ihm besprechen!»
Dass der andere «nicht einmal» darüber reden will, macht den Nähe-Partner besonders verbittert. Dabei liegt das in der Psycho-Logik des Teufelskreises: «Darüber reden» bedeutet ja Kontakt und Nähe – kein Wunder, dass der Nähe-Partner so sehr darauf drängt – kein Wunder auch, dass der Distanz-Partner es verweigert. Dies gilt ebenso für das Aufsuchen einer Beratungsstelle; wohl immer
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