Mithgar 11 - Die kalten Schatten
Gildors Worten von Ungeheuern, die an tiefen, dunklen Orten wohnen.
Brega lauschte. »Ein Wasserstrudel, glaube ich. Hatte dieser Ort einen Namen, als Ihr zuletzt hier wart, Elf Gildor?«
Gildor schüttelte den Kopf, und Tuck sagte: »Dann nenne ich ihn den Schwarzen Zug, denn es scheint, als wollte er uns in seine vergessenen Tiefen ziehen. Mag sein, dass es ein glucksender Wasserstrudel ist, aber er klingt wie ein saugendes Maul.«
»Glaubt Ihr, Ihr könnt darüber springen, Tuck?«, fragte Galen.
Tuck maß mit den Augen die Entfernung; es war ein weiter Satz für einen drei und einen halben Fuß großen Wurrling. »Ja«, erwiderte er, »auch wenn ich lieber eine Brücke hätte.«
»Hier, Waeran«, sagte Brega, stellte die Laterne und seinen Rucksack ab und entrollte ein Seil. »Leg dein Gepäck ab und binde dir das Seil um die Mitte; dann wirf mir das lose Ende hinüber. Ich werde dich sichern, falls du zu kurz springst.« Mit drei Schritten Anlauf setzte Brega über den Spalt. Tuck warf dem Zwerg die Seilrolle zu, nachdem er sich ein Ende um die Hüfte gebunden hatte. Brega schlang es sich um die Schultern und packte es fest mit beiden Händen, dann nickte er dem Bokker zu.
Nach einem letzten Blick auf das schwarze Loch, bei dem er alle Gedanken an ein scheußliches, saugendes Maul zu verbannen suchte, nahm Tuck Anlauf und sprang mit aller Kraft. Er landete gute zwei Fuß hinter dem Rand der Spalte. Nun wurden Gepäck und Laterne über den Graben geworfen, dann sprangen Gildor und Galen hinüber, und sie marschierten weiter und ließen das grässliche Saugen des Schwarzen Zugs hinter sich zurück.
Immer tiefer drangen sie unter den dunklen Granit des Grimmdorns, der Pfad führte beständig abwärts, Gänge und Abzweigungen trennten sich von ihrem Korridor, unerwartete Risse taten sich im Boden auf, jedoch keiner so breit wie der Schwarze Zug. Und je weiter sie gingen, desto heftiger klopfte Tucks Herz vor Beklommenheit. »Das liegt am Graus, Tuck«, sagte Gildor, der bemerkte, wie unbehaglich sich der Waerling fühlte. »Wir schreiten ihm jetzt entgegen, und die Angst wird noch größer werden.«
Weiter ging es durch das düstere Labyrinth, bis sie zu einem großen Saal kamen, » elf Meilen von der Dämmertür ent fernt«, wie Brega sagte. Auch diese Halle war riesig: beinahe neunhundert Fuß lang und sechshundert Fuß breit. Sie gingen mitten hindurch und verließen sie am anderen Ende.
Noch immer führte ihr Weg abwärts. Tuck war sehr müde, und er begann zurückzufallen. Es war ein langer »Tag« gewesen, denn er hatte vor vielen Stunden mit dem Versuch begonnen, den Quadra-Pass zu überqueren.
»Wenn wir das nächste Mal in einen Saal kommen, machen wir Rast«, sagte Galen, »denn erschöpfte Beine tragen uns nicht schnell, falls wir uns einmal beeilen müssen.« Doch sie wanderten noch vier Meilen durch die schwarzen Röhren, an Spalten, Gabelungen und Einmündungen vorbei, ehe sie zu einem weiteren Saal kamen, auch dieser von gewaltigen Ausmaßen. Brega hielt die Laterne in die Höhe, und Gildor lächelte erleichtert und streckte die Hand aus. »An diese Stelle erinnere ich mich ebenfalls, denn hier haben wir Halt gemacht, um Wasser nachzufüllen.« Tuck spähte an Gildor vorbei und sah eine nahezu runde Halle, sechshundert Fuß im Durchmesser. Und im phosphoreszierenden Schein der Zwergenlaterne erblickte er eine niedrige Brücke über einem klaren Bach, der aus der Wand zu ihrer Linken kam und in einem breiten Kanal den Saal durchquerte, ehe er unter der Wand im Süden wieder verschwand. Mehrere niedrige Steinbrüstungen umgaben den Raum. »Das hier ist der Bodensaal«, sagte Brega. »Die Überlieferung der Chäkka spricht von dieser Brücke über den Trinkwasserbach. Süß war dieses Wasser in all den Tagen der Chäkka.«
»Süß war auch der Dämmerbach, ehe der Schwarze Teich entstand«, erwiderte Gildor. »Doch nun hat der Heiarmer das Wasser verdorben, und es schmeckt faulig und fühlt sich widerlich an. Wollen wir hoffen, dass der Trinkbach noch sicher und rein ist.« Sie schritten über die gewölbte Brücke und hielten am anderen Ende, um sich zu bücken und das Wasser zu prüfen, und dann tranken sie durstig und füllten ihre ledernen Feldflaschen mit der kalten, kristallklaren Flüssigkeit.
Sie setzten sich mit dem Rücken an eine Steinbrüstung und nahmen eine Mahlzeit zu sich. Während sie aßen, breitete sich Beklemmung in Tucks Adern aus; die Angst hatte zugenommen, denn sie
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