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Mithgar 12 - Der schwaerzeste Tag

Titel: Mithgar 12 - Der schwaerzeste Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis L. McKiernan
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spähte durch ihn hindurch in Tucks Augen. Eine einzige Kerze leuchtete über ihrer Schulter und warf ein mattes Licht in den ansonsten verdunkelten Raum. Lange schaute Rael, erst in ein Auge, dann in das andere. Und niemand sagte ein Wort. Schließlich trat die Elfe einen Schrift zurück, und auf ein Zeichen von ihr wurden die Fenstervorhänge aufgezogen, sodass grelles Sonnenlicht hereinströmte und auf den Bokker in seinem Sessel fiel. Während Rael ihre Untersuchung fortsetzte und die Reaktion von Tucks Augen auf das helle Licht beobachtete, setzte Talarin ein Gespräch mit dem Waerling fort, das die beiden bereits früher begonnen hatten: »Und deshalb«, sagte der Elfenfürst, »wäre Gyphon die Macht zugefallen, wenn er zur Herrschaft in Mithgar gelangt wäre.«
    »König Galen hat einmal zu mir gesagt, Mithgar sei wie der Drehpunkt einer Wippe«, erwiderte Tuck.
    »Ja, das stimmt«, antwortete Talarin. »So habe ich es zwar noch nie betrachtet, aber Galen hat recht. Und wie bei jeder Wippe kann im entscheidenden Moment, wenn die Kräfte im Gleichgewicht sind, die geringste Einwirkung in die eine oder andere Richtung den Ausschlag zum Guten oder zum Schlechten geben. So wie bei Euch, Tuck, denn Ihr habt das Gleichgewicht zum Kippen gebracht. Allerdings war die Kraft, die Ihr benutzt habt, keineswegs gering… ganz und gar nicht. Denn obwohl Gyphon vor viertausend Jahren Ereignisse in Gang gesetzt hat, die niemand mehr aufhalten konnte, muss auch Adon seine Vorkehrungen getroffen haben - und auf Mith gar wurden Zeichen der Macht geschaffen, die ihren Weg in den Eisernen Turm fanden, um dort im entscheidenden Augenblick zum Einsatz zu kommen.
    Und Ihr, Tuck, habt die Wahl getroffen und seid Eurerseits auserwählt worden, einem Kurs zu folgen, der Euch in jenem schwärzesten Moment der schwärzesten Stunde in Modrus Heiligtum des Bösen führen sollte, wo Ihr das Gleichgewicht vom Bösen zum Guten verschieben konntet, von Gyphon zu Adon.«
    Tuck schien in Gedanken versunken zu sein. »Eins will ich schon die ganze Zeit fragen, Fürst Talarin: Gyphon war so wunderschön, als ich ihn zum ersten Mal sah. Aber dann hat er sich in etwas grauenhaft Hässliches verwandelt. Wie ist das möglich? Wie kann jemand, der so böse ist, dem Auge so strahlend erscheinen?«
    »Das Böse tritt oft mit strahlendem Antlitz auf, Tuck«, entgegnete Talarin. »Aber darunter ist es ein durch und durch scheußliches Ungeheuer.«
    Wieder wirkte Tuck nachdenklich. »Da ist noch etwas, das mir Kopfzerbrechen bereitet:
    Unmittelbar bevor ich auf den Myrkenstein schoss, fielen mir Raels Rätselspruch und die Inschrift auf dem Grabstein von Othran dem Seher ein:
    Keinem von zwei Übeln gelte dein Hieb;
    Vielmehr sei die Dunkelheit zwischen ihnen dein Ziel.
    Bewahr den roten Pfeil Bis zur bestimmten dunklen Stund.
    Nun, im Nachhinein, ist der erste Spruch klar: Er wies mich an, weder auf Gyphon noch auf Modru zu schießen, sondern auf den Myrkenstein. Die Grabinschrift hingegen ist mir immer noch ein Rätsel: Ich dachte, sie würde bedeuten, ich soll irgendwann während des Sonnentods schießen, aber es war, als könnte ich den Pfeil erst loslas sen, als Modrus Sprechgesang zu Ende war. Und als hätte mich jemand dazu gezwungen, wusste ich, dass ich genau dann schießen musste. Warum konnte ich nicht vorher schießen? Ich meine, Prinzessin Laurelin wäre durch mein Zögern beinahe getötet worden. Und doch habe ich nicht geschossen, konnte ich nicht schießen, ehe der Gesang zu Ende war.«
    In der Stille, die nun folgte, erhob sich Rael, trat ans Fenster und blickte hinaus zu den fernen Kiefern. Merrili, die der Untersuchung wortlos beigewohnt hatte, nahm an Tucks Seite Platz und ergriff seine Hand. »Vielleicht«, begann der Elfenfürst, geriet dann aber ins Stocken, »… vielleicht war der Myrkenstein erst nach Abschluss des Gesangs verwundbar, angreifbar. Vielleicht war genau dieser Moment die bestimmte dunkle Stund, von der Othran der Seher vor einer Ewigkeit gesprochen hat.« Erneut trat Stille ein.
    Rael schaute weiter hinaus auf den glitzernden Schnee, und im allgemeinen Schweigen ließ sich ihre leise Stimme vernehmen: »Tuck, erzählt doch noch einmal, wie sich der Myrkenstein auf Euer Sehvermögen ausgewirkt hat.«
    »Nun ja, als wir das schwarze Licht zum ersten Mal aus dem Turm strömen sahen, da zerrte es an unseren Augen«, antwortete Tuck. »An unseren Augen heißt, an denen der Wurrlinge, denn kein anderes Volk sah das Licht -

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