Mithgar 14 - Zwergenmacht
eine Spur zurückzulassen. Wenn Gnar argwöhnt, dass seine Feinde in diesen Kavernen sind, wird er alle seine Leute nach uns suchen lassen. Und wir wollen nicht, dass uns Horden des Feindes durch diese Hallen verfolgen. Nein, unsere einzige Hoffnung, Durek zu helfen, besteht darin, einzudringen, ohne die ganze Yrm-Armee zu alarmieren.« Mit gedämpfter Stimme rief Kian Borin zu. »Könnt Ihr weiter?«
»Es ist ziggurt, so weit das Auge reicht«, rief Borin zurück, während er mit einer Hand über den Abgrund und auf den Mustersaal zeigte. »Aber ich muss es versuchen, obwohl es ein gefährliches Spiel ist, denn das Gestein ist mit Ruß aus der Zeit des Brückenbrandes bedeckt, sodass ich nicht viel sehen kann, und eingehendes Studium wäre nötig, aber dafür ist keine Zeit. Ich muss eine hastige Überquerung riskieren.«
»Wartet!«, rief Shannon leise, während er die Hände trichterförmig vor den Mund hielt, damit seine Stimme den Zwerg erreichte. »Wie wäre es damit: wenn Ihr mir ein Seil herunterlasst, kann ich mich über den Abgrund schwingen – wenn das Gestein und die eisernen Nägel mein Gewicht tragen.« Der Elf sah Fürst Kian an. »Abgesehen von Perry bin ich der Leichteste, und sein Leben können wir für dieses Vorhaben nicht aufs Spiel setzen.« Fürst Kian nickte langsam.
Borin hämmerte noch einen Nagel in den Fels und ließ dann ein dünnes Seil wie einen Spinnenfaden aus der Finsternis herab. Borin hatte seinen Hammer als Gewicht an das Ende gebunden, um ein Pendeln zu ermöglichen, und schwang das Seil hin und her. Shannon fing das Seil geschickt auf, und Borin rief nach unten, dass alles bereit sei. Der Elf grinste den anderen noch einmal verwegen zu und schwang sich am Seil über die Große Tiefe.
Shannons erster langer Schwung trug ihn nicht weit genug; und am Ende schien er zu verharren, nur um dann wieder zurück zu schwingen. Bei seinem zweiten Pendeln sorgte er mit den Beinen für zusätzlichen Schwung und wurde weiter getragen, wenn auch immer noch nicht weit genug. Bei seinem dritten Versuch hätte er beinah das andere Ende des Abgrunds erreicht, aber eben doch nur beinah.
Nur Borin, der an den kurzen Halteriemen an der Decke hing, sah nicht, wie der Elf dem Rand mit jedem Schwung näher kam. Vielmehr hielt der Zwerg den Blick fest auf den Nagel gerichtet. Die Schwünge beanspruchten den Nagel sehr stark und Borin beobachtete angestrengt den Riss, in den er den Nagel getrieben hatte. Beim dritten Schwung brach ein Steinsplitter aus der Spalte: der Nagel löste sich! Rasch klemmte Borin den rechten Unterarm in eine breite ziggurte Spalte und ballte die Faust, sodass seine Hand in der Vertiefung eingeklemmt wurde. Er wickelte das lose Ende des Pendelseils um seinen linken Arm und packte es mit aller Kraft. Kaum hatte der Zwerg das getan, als der Nagel sich aus dem Gestein löste, und das Gewicht des hin und her schwingenden Elfen nun mit einem Ruck an Borins Armen und Schultern hing.
Silberblatt war auf dem Rückschwung von der anderen Seite des Abgrunds, als er das Seil nachgeben und dann wieder halten spürte, und beinah hätte sich sein Griff gelöst. Das Seil rutschte ihm ein Stück durch die Hände, bevor er wieder fest zupackte. Mit neuerlich festem Griff begann er seinen vierten Versuch und holte noch einmal kräftig Schwung mit den Beinen.
Borin hielt sich verzweifelt fest. Er biss die Zähne zusammen und schloss die Augen vor Anstrengung, da sein Arm und die Schultermuskeln unter der hohen Belastung knackten. Er war das Bindeglied zwischen dem Gestein der Decke und dem straffen Seil, an dem der Elf über den Abgrund flog. Die größte Schwierigkeit kam in dem Moment, als Shannon den Tiefpunkt des Bogens erreichte. Borins in die Spalte gezwängte rechte Faust fühlte sich an, als würden jeden Augenblick seine Handknochen brechen. Das um seinen linken Arm gewickelte Seil schien bis zum Ellbogen durch Haut und Fleisch zu schneiden, und seine Schultern fühlten sich an, als würden ihm die Arme ausgerissen. Doch er hielt grimmig fest, während Shannon in aufsteigendem Bogen aus der Tiefe der anderen Seite entgegen schoss. Der Elf ließ das Seil los und flog vorwärts auf das Gestein, rollte sich ab und sprang dann behände auf.
Unter der Decke stieß Borin einen Seufzer der Erleichterung aus. Er streckte die an den Knöcheln aufgeschürfte Hand aus und zog sie aus der Spalte, um sich Schultern, Hals und Arme zu massieren. Nach ein paar Augenblicken holte er das Seil ein
Weitere Kostenlose Bücher