Mithgar 14 - Zwergenmacht
erklärte Hogon, »also hatten wir sie hier in der Nähe.«
»Oh, danke, Hogon. Danke, Brytta«, plapperte Zwirn mit strahlender Miene. »Sie sind wahrhaftig eine Augenweide.« Dann wandte er sich an die Pferde, und sie stießen den Wurrling an und rieben ihre Nüstern an seiner Hand. »Du meine Güte, ihr Strolche seid in der Zwischenzeit fett und ausgelassen geworden. Na, wir werden schon dafür sorgen, dass ihr wieder rank und schlank werdet.«
Und als Perry, Zwirn und Shannon sich von den Menschen aus Valon verabschiedet hatten, waren es Brauni und Dauni, die den Wagen nach Süden zogen. Auf der Kuppe des südlichen Talrandes hielt das Trio noch einmal inne und warf einen Blick zurück in die Senke. Sie winkten den entfernten Harlingar, und der Wind trug ihnen den einsamen Ruf von Bryttas schwarzem Ochsenhorn zu: Taaa-tan, tan-taaa, tan-taaa! – Bis wir uns Wiedersehen, lebt wohl, lebt wohl! Mit dem Echo dieses Signals im Herzen schnalzte Zwirn mit den Zügeln, und Augenblicke später waren sie dem Blickfeld der Vanadurin entschwunden.
Der Wagen rollte zwei Tage lang südwärts, und kurz vor Sonnenuntergang des zweiten Tages erreichten sie den Hâth. Die Furt war seicht, und sie überquerten den Fluss mühelos. Der verlassene Alte Weg bog nach Westen ab, und sie folgten seinem Verlauf Sie fuhren bei Tag und lagerten bei Nacht. Weil Winter war, waren die Tage kurz und stürmisch und die Nächte lang und kalt. Sie zogen sich so warm an, wie sie konnten, auch die gefütterte Daunenunterwäsche, die sie von den Zwergen bekommen hatten. Nachts kampierten sie in geschützten Schluchten und entzündeten ein warmes Feuer. Trotzdem sorgte die eisige Kälte bei Tag und bei Nacht für einen dumpfen Schmerz in Perrys noch nicht ganz verheilter Schulter. Jeden Morgen, wenn er erwachte, war sein Arm steif und ließ sich nur vorsichtig bewegen.
Am Abend des sechsten Tages, nachdem sie die Dämmertür verlassen hatten, trafen sie an der Furt von Neuluren ein. Hier traf der verlassene Weg, dem sie folgten, auf die Ralostraße, und nachdem diese Straße hinter Neuluren nach Norden abbog, wurde sie von manchen Nordroute und von anderen Südroute genannt, aber die meisten nannten sie schlicht Poststraße. Oberhalb von Luren vereinigten sich der Hâth und der Caire, und der Wasserwirbel an der Stelle ihres Zusammenflusses wurde Flussmischung genannt. Von dieser Stelle bis zum Meer wurde der Fluss von allen außer den Elfen, bei denen er Fainen hieß, Inselborn genannt. Bei Luren kreuzten sich die Handelswege zwischen Rell, Gûnar, Harth und Trellinath, denn hier befand sich die einzige Furt in der gesamten Region. Am Westufer der Furt lag Luren selbst.
Altluren war eine Freihandelsstadt gewesen, in der sich der gesamte Fluss- und Straßenverkehr der Region getroffen hatte. Die Stadt hatte gewaltig unter der Schwarzen Pest gelitten – über die Hälfte der Bevölkerung war daran gestorben –, sich aber langsam wieder erholt, und obwohl der Handel nie mehr das frühere Ausmaß erreicht hatte, war es doch noch eine bedeutende Stadt gewesen. Doch dann war Luren von einer gewaltigen Feuersbrunst verheert und später von seinen Bewohnern verlassen worden.
Erst vor fünfzig Jahren war an dieser Stelle Neuluren gegründet worden, das hauptsächlich Reisende versorgte, die über die Poststraße und die Ralostraße zogen. Neuluren war nur ein kleines Dorf, das vom riesigen Flusswald umgeben war, hatte aber einen Gasthof –den Roten Eber – , wo das Essen reichlich, das Bier trinkbar und die Unterbringung gemütlich war. Zwirn fuhr den Wagen durch die Furt und in das Dorf.
Als die drei Reisenden über die Schwelle des Gasthofs traten, verstummten sämtliche Gespräche der Anwesenden, da alle die Hälse reckten, um einen Blick auf die Fremden werfen zu können. Zuerst glaubten die Lurener, ein hübscher, sehr junger Mann und zwei Kinder seien eingetreten. Doch dann legten Zwirn und Perry ihre warmen Jacken ab, und vor den Gästen standen plötzlich zwei kleine Krieger in silberner und goldener Rüstung. Und der hübsche Jugendliche in grünem Gewand stellte sich ebenso plötzlich als einer der legendären Elfen heraus. Durch die Gaststube ging ein Raunen:
Seht doch! Seht euch das an. Einer von den Elfen. Ein Lian! Wenn das Leute aus der Legende sind, müssen die beiden anderen Waerlinga sein und zum Kleinen Volk gehören.
Der Besitzer, Herr Hoxley Hausmann, trat vor. »Guten Tag, die Herren, willkommen im Roten Eber«, tönte
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