Mithgar 16 - Drachenmacht
Faeril töten … Faeril… Faeril…
Wer rief da?
Sie wusste es nicht. Aber etwas Eisiges verbrannte ihre Hand … und das kannte sie. Amulett! Gefahr!
Sie vermochte sich nicht zu rühren.
Sie zwang ihre Lider hoch. Sie sah nichts. Alles war schwarz. Undurchdringliche Schwärze. Aus weiter Ferne hörte sie das panische Brüllen der Kamele, doch dichter, gleich neben ihr ertönte ein grauenhaftes Saugen, und dann ein Schlürfen und Blubbern. Sie roch den eisigen Duft von Blut, das alle anderen Gerüche überlagerte. Aber es mischte sich noch ein weiterer Geruch darunter, nah und dumpfig, widerlich.
Sie schloss die Hand um das Amulett, packte es fest, trieb den Zauber zurück - ein wenig.
Sie zwang ihren Arm, sich zu bewegen, mit winzigen, ruckartigen Bewegungen presste sie ihre freie Hand hoch, mit ausgestreckten Fingern, bis zu dem Schwert an ihrer Seite. Schweiß trat ihr auf die Stirn, und vor Anstrengung biss sie die Zähne zusammen. Endlich, endlich berührten ihre Fingerspitzen den Jadegriff des Schwertes, sie schloss die Finger darum, und ihre Seele weinte über das, was sie zu tun gerade im Begriff war. Die Stimme ihrer Mutter hallte durch ihren Kopf: Es hat einen Wahren Namen … er saugt Stärke und Energie und Leben … einen schrecklichen Preis … Sterbliche können Jahre ihrer Lebensspanne verlieren … Jahre…
Doch hatte sie überhaupt eine Wahl?
»Dünami«, flüsterte sie, nannte den Wahren Namen des Schwertes, und plötzlich durchströmte eine Woge von Kraft ihren Körper, von Energie, von Leben - sie konnte sich bewegen! Die Klinge strahlte ein blassblaues Licht aus, das die unnatürliche Schwärze durchdrang. Sie konnte sehen!
Etwas kreischte hoch und schrill.
Riatha rollte sich zur Seite, sprang auf und sah das Ding, den tvyrm, der von Faerils Körper zurückzuckte und aus dessen ovalem Maul Schleim und Blut troff. Die grauenhafte, segmentierte Monstrosität zuckte vor dem blauen Licht des Schwertes zurück und versuchte zu entweichen, in die Zisterne zu entkommen. Aber mehr als zehn Meter seines Leibes waren aus dem Loch gekrochen, und zudem war diese Masse aufgequollen, aufgebläht, und mühte sich, sich in das Loch zurückzuzwängen.
Die Furcht hämmerte in Riathas Körper, als sie mit einem wortlosen Schrei - »Yaaah!« - voranstürmte und das blau schimmernde Schwert mit beiden Händen hoch in der Luft schwang. Mit einem Zischen zerfetzte die Klinge den Leib dieses entsetzlichen Wesens, schwarzes und rotes Blut quollen heraus und versickerten im Boden, während die Kreatur wimmerte. Mit einem Rückhandhieb trieb Riatha Dünamis erneut durch das Monster, riss ihm eine weitere klaffende Wunde, aus der Blut, Gewebe und Schleim strömten.
Die Monstrosität kreischte vor Qual, zuckte in die Zisterne zurück und verschwand in ihrer Tiefe; die Finsternis zerbarst, und die Sterne spendeten ihr silbernes Licht.
Riatha verfolgte das Wesen, lief zum Rand des Brunnens und spähte hinab. Das blaue Licht von Dünamis beleuchtete den Rand der Zisterne, doch in dem Schein zeigten sich nur Schleim- und Blutflecken auf dem dunklen Stein.
Das Ding war verschwunden.
Riatha trat zurück. »Dünamis«, flüsterte sie, nannte den Wahren Namen des Schwertes, dessen blaues Strahlen verschwand, bis nur noch das Funkeln des Dunklen Silberons übrig blieb.
Als das Licht verschwand, überkam Riatha eine Woge der Schwäche, sie fiel auf die Knie und wäre beinahe ohnmächtig geworden. Sie konnte sich nur mit Mühe aufrichten, doch da sah sie Reigo oder vielmehr das, was von ihm übrig geblieben war, und sie schlug vor Entsetzen die Hand vor den Mund und drehte sich herum, angewidert, noch während ihr die Tränen in die Augen stiegen.
Stolpernd, trocken würgend, fiel sie auf Hände und Knie zwischen die Gefährten, von denen sich gerade die ersten zwar regten, Urus, Aravan, Halid, vor Schwäche aber nicht vermochten sich aufzurichten. Etwas weiter von ihnen entfernt lag Gwylly, und gleich neben seiner ausgestreckten Hand Faeril. Riatha schlug das Herz bis in den Hals, denn weder der Bokker noch die Damman rührten sich.
9. Kapitel
KANDRA
Herbst, 5E989 (Gegenwart)
Urus mühte sich aufzustehen, doch er hatte kaum zwei Schritte getan, als er neben Riatha auf die Knie fiel. Seine Stimme glich einem Krächzen. »Liebste, bist du …?«
»Die Waerlinga, Urus«, keuchte sie. »Sie bewegen sich nicht.«
Urus kroch zu Faeril. Eine widerliche Mischung aus Blut und Schleim bedeckte die Damman.
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