Mittagessen Nebensache
sehr
bestimmt, aber mit leisem Lachen: »Lieber David, du bist so lieb und
ritterlich, aber man muß doch ein Mädchen nicht gleich heiraten wollen, weil es
einmal mit einer Blinddarmentzündung im Krankenhaus lag, oder weil zufällig ein
fremder Mann in ihr Zimmer eingedrungen ist. Du weißt selbst ganz genau, daß du
mich gar nicht so sehr liebst. Es ist wohl mehr Sympathie, oder sagen wir — Mitgefühl,
was du für mich empfindest.«
»Nein, du irrst dich! Du
gehörst nicht zu denen, die auf Mitgefühl spekulieren. Und es ist auch keine
impulsive Regung meinerseits. Ich weiß es schon lange, daß ich dich liebe.«
»Nein, David, kein Wort mehr.
Vielleicht im Augenblick, ja aber bestimmt nicht für immer. Du wirst eines
Tages ein hübsches und fröhliches Mädchen heiraten, das zu dir paßt. Ich habe
dich wirklich gern, auch wenn wir uns nicht heiraten. Und ich bin dir für alle
Zeit dankbar.«
Inzwischen hatte ich mich von
meiner Überraschung erholt, und mein Gefühl für Anstand war zurückgekehrt. Ich
kauerte mich in meinen Sitz und hielt mir die Ohren zu. In mir tobten die widerstreitendsten Gefühle. Unwillkürlich empfand ich
Bedauern für Dawn. Ruth hatte er also gebeten, seine Frau zu werden! Da ihn
weder ihr Aussehen in jener Nacht, als er sie ins Krankenhaus brachte, noch
dieser unmögliche Aufzug heute abend abgeschreckt
hatten, mußte es sich um wirkliche Liebe bei ihm handeln. Das steigerte meinen
schwesterlichen Zorn noch mehr. Arme kleine Dawn, wer sollte wohl aus ihr klug
werden — aus ihr und aus David?
In diesem Augenblick wurde die
Wagentür geöffnet. David schien meine Anwesenheit völlig zu übersehen, er
fluchte in einer bilderreichen Sprache vor sich hin. Zuerst auf Quicky , die in den Wagen gehoben werden mußte, dann auf die
schlechte Straße, auf die Dunkelheit, und schließlich auf das Leben im
allgemeinen.
Dieser normalerweise überaus
höfliche junge Mann schien nicht auf die Idee zu kommen, daß ich alles
mitanhören mußte. Im Augenblick war er tatsächlich nichts anderes, als ein
verhinderter Liebhaber, der von der Auserwählten seines Herzens eine Abfuhr
erlitten hatte. Ich würde von Glück reden können, wenn ich lebendig nach Hause
kam.
Ich kam tatsächlich lebendig
nach Hause, weit nach Mitternacht zwar und nach einer anstrengenden Fahrt, bei
der ich stets die eine Hand am Türgriff hatte, um im gegebenen Moment
herausspringen zu können, innerlich mit der Vorstellung beschäftigt, wie sehr
Paul und Christopher mich vermissen würden. Aber schließlich hielt David mit
einem Ruck vor unserem Gartentor. »Gute Nacht, Susan, und vielen Dank.« Damit
ließ er mich allein den Weg in der Dunkelheit zu dem schlafenden Haus finden.
Ein aufregender Abend mit einem
unglücklichen Ausgang! Kein Wunder, daß ich bis zum Morgengrauen nicht
einschlafen konnte.
Dawn lauschte dem Bericht
unseres Abenteuers mit weitaufgerissenen Augen. Ich brauche wohl nicht zu
erwähnen, daß meine Erzählung bei dem Punkt endete, als Richards geschlagen von
dannen wankte.
»Wirklich gerissen von Ruth.
Seltsam, daß jemand, der so... nun ja, so schwerfällig wirkt, sich plötzlich in
dieser Weise entwickelt. Endlich einmal eine nette Abwechslung in diesem
furchtbaren Einerlei. Ach Susan, warum hast du nur ausgerechnet in eine solche
Gegend geheiratet?«
Das hatte ich mir nun oft genug
anhören müssen, aber es ärgerte mich immer wieder. »Und warum hast du
ausgerechnet mit Felicitys Mann anbändeln müssen!
Darum bist du ja schließlich zu uns aufs Land verbannt worden!«
Wie üblich lachte sie nur und
war keineswegs böse.
Ich konnte es ihr nicht
übelnehmen, wenn sie vor Langeweile fast umkam. Es war der schlimmste Winter,
den ich je hier im Hochland erlebt hatte. Endlose Weststürme, wochenlanger Dauerregen
und Straßen, die man kaum noch als solche bezeichnen konnte. Arme Dawn, und nun
hatte sich auch noch ihr Verehrer wegen eines anderen Mädchens von ihr
abgewandt, das keineswegs so hübsch war wie sie. Und erst in zwei Monaten
konnte sie hoffen, wieder in Freiheit zu leben und Großstadtluft zu atmen.
Und Gregory Hutchinson...? Ich
hatte zwar gedacht, es sei aus zwischen den beiden, aber etwas Genaues wußte
ich nicht. Mir war aufgefallen, daß Dawn oft heimlich Briefe wegschickte und
gewiß auch auf gleiche Art empfing, aber die mußten nicht unbedingt mit Gregory
zusammenhängen oder konnten lediglich das Ergebnis ihrer Langeweile sein.
Sie war wirklich keine
fröhliche Hausgenossin
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