Mittagessen Nebensache
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»Keine Spur, Anne. Dawn ist zwar ziemlich wüst mit meinen Elektrogeräten umgegangen, aber die bringe ich schon wieder hin. Und was ist mit dir? Du siehst müde aus.«
»Oh, mir fehlt eigentlich gar nichts, nur — ich habe es restlos satt, Susan. Alles! Neulich hätte ich mich beinahe schon Larry anvertraut, aber das wäre nicht fair gewesen Sie ist voreingenommen, sie mag Papa nicht leiden. Du hast ihn gern und kannst darum objektiver urteilen.«
»Natürlich. Nun schieß los. Was gibt es denn für Kummer?«
»Ich fürchte, daß er und Tim nun endgültig miteinander fertig sind. Ich weiß nicht, wie es dazu kommen konnte, schließlich waren wir die ganze Zeit über recht glücklich miteinander, alle drei. Glaubst du, daß das Baby an der gespannten Atmosphäre schuld sein könnte?«
»Kaum. Wenn es erst da sein wird, kommt bestimmt alles wieder ins rechte Gleis. Larry behauptet ganz richtig, die Männer benähmen sich immer so, als bekämen sie das Baby. Du selbst wirst dich natürlich auch ein wenig verändert haben.«
»Nicht sehr, Susan. Natürlich fühle ich mich oft müde und abgespannt, aber das geht jedem so. Schließlich haben wir einen ungewöhnlich warmen Herbst. Das Schreckliche ist nur, ich darf mir nie etwas anmerken lassen, weil Tim dann augenblicklich ein besorgtes Gesicht zieht und Papa ein mächtiges Getue macht. Gestern abend hatte ich keinen Appetit, weil mir das Fleisch mißglückt war. Auf der einen Seite war es roh, auf der anderen angebrannt. >Dein Vater hat ganz recht<, sagte Tim daraufhin. >Ich war ein grenzenloser Egoist, dir ein solches Leben zuzumuten. Diese harte Arbeit ist nichts für dich.<«
»Der gute alte Tim! Aber so unrecht hat er gar nicht. Du hast nie in deinem Leben arbeiten müssen. Schließlich hattet ihr dafür eure Mrs. Evans.«
»Als ob mir die Arbeit etwas ausmacht, Susan. Ich bin gesund, und ich möchte lieber in Tims Haus von früh bis abends schuften, als woanders verwöhnt werden.«
»Das weiß ich. Und wenn du das Tim zu verstehen gegeben hast, wird er sich bestimmt wieder beruhigt haben.«
Anne zuckte ratlos die Schultern. »Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist, aber ich habe mich ihm gegenüber unmöglich benommen. Ich hatte alles so satt, und dann schämte ich mich natürlich wegen des mißglückten Abendessens. Ich habe wörtlich zu ihm gesagt: >Soll das vielleicht heißen, daß du bedauerst, mich geheiratet zu haben? Daß du mich für einen Versager hältst...?< Oh, Susan, das war gemein von mir, und ich begreife selbst nicht...«
»Ich schon. Wir explodieren alle sehr schnell, wenn wir uns in diesem >interessanten Zustand< befinden, wie Larry es immer so treffend formuliert. Denk dir nichts weiter dabei, liebe Anne. Tim wird es schon verstehen.«
»Sicherlich hätte er das, wenn nicht dummerweise gerade in diesem Augenblick Papa hinzugekommen wäre. Er ging sofort in die Luft, weil ich weinte. >In Gesellschaft deines Vaters wirst du dich vermutlich wohler fühlen als bei mir<, sagte Tim. >Ich gehe zu Sam. Larry ist nicht zu Hause, vielleicht freut er sich, wenn ich komme.< Damit lief er weg und kam erst zurück, als ich schon schlief.«
»Nun ja, er glaubte eben, es sei besser, euch allein zu lassen. Der Colonel ist immer sehr glücklich, wenn er mit dir zusammen sein kann.«
»Gestern abend war er bestimmt nicht glücklich. Ich habe ihm nämlich erklärt, wenn er und Tim nicht aufhörten, so ein schreckliches Getue zu machen, würde ich davonlaufen und erst zurückkommen, wenn das Baby geboren ist.«
Ich mußte lächeln. Eine ungewöhnliche Vorstellung — die stets liebenswürdige und fröhliche Anne als Trotzkopf. Durch meine Heiterkeit angesteckt, hellte sich auch Annes Miene auf, und wir kochten uns eine Tasse Kaffee. Wenig später spazierte Dawn herein und gab eine amüsante Vorstellung über ihre mühevolle Tätigkeit als stellvertretende Farmersfrau. In höchster Vollendung erstand Paul vor uns, seine arme Schwägerin kritisierend und Christopher zurechtweisend. Anne lachte herzhaft. Die lustige, unbeschwerte Dawn war im Augenblick wirklich die richtige Gesellschaft für die gewissenhafte kleine Anne. ich freute mich, als sich die beiden für den nächsten Tag verabredeten, um gemeinsam nach Te Rimu zu fahren. Zum Lunch würden sie bei den Caleys sein. Dawn hatte sich inzwischen mit Jane angefreundet und verfolgte mit größtem Interesse die Hochzeitsvorbereitungen.
Es wurde ein friedlicher Vormittag für mich. Paul stellte
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