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Mittelalter, 100 Bilder - 100 Fakten

Mittelalter, 100 Bilder - 100 Fakten

Titel: Mittelalter, 100 Bilder - 100 Fakten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Barth
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in eigener Weise. Sie passten sich an die Sitten und Gebräuche des Ostens an. Das veränderte Lebensgefühl schilderte einer von ihnen: „Wir, die wir Abendländer waren, sind Orientalen geworden. Wir haben schon unsere Geburtsorte vergessen; mehrere von uns wissen sie schon nicht mehr, oder wenigstens hören sie nicht mehr davon sprechen.“
    Der christliche Vorposten wirkte gleichwohl als Pfahl im Fleisch der muslimischen Nachbarstaaten. 1187 geriet das Königreich nach einer schweren Niederlage in der Schlacht von Hattin und der folgenden Eroberung Jerusalems durch Truppen unter Saladin an den Rand des Zusammenbruchs. Zwar konnten einige Küstengebiete zurückerobert werden, aber die alte territoriale Ausdehnung war nicht mehr zu erreichen, Jerusalem blieb verloren. Nur dank der Häfen, in denen der transasiatische Handel im 13. Jahrhundert eine Blüte erlebte, konnte das Königreich noch länger sein Dasein fristen. Erst die Offensiven der Mamelucken seit 1263 schnürten seine Lebensbedingungen immer weiter ein, 1291 verlor es mit Akkon seinen letzten Stützpunkt im Heiligen Land.
    Der leprakranke König
    Das kurze Leben des Königs Balduin IV. von Jerusalem war gezeichnet von der Lepra. Dabei stand gerade in seiner Regierungszeit (1177–1185) das Schicksal des Königreichs auf der Kippe. Es war die Zeit, da Sultan Saladin sich anschickte, die Kräfte der islamischen Welt für den Kampf gegen die Kreuzfahrer zu sammeln. Überliefert ist ein Auftritt in der Ratsversammlung von Jerusalem: „Einem längst Verstorbenen gleich“, entstellt von Geschwüren, erschien der königliche Jüngling unter den Baronen, die sich nicht auf Maßnahmen gegen den heranrückenden Saladin einigen konnten, und stauchte sie in einem ungeheuren Wutanfall zusammen. Persönlich führte er dann das Heer, dessen Kern aus nicht mehr als 500 Rittern bestand, gegen die Muslime. In der Schlacht von Montgisard im November 1177 kämpfte er in der vordersten Reihe und erfocht einen glänzenden Sieg. Zu Weihnachten 1182 befiel den König die Malaria; dadurch verstärkte sich auch die Lepra. Erblindet, kaum noch bewegungsfähig, hinter dichten Tüchern verborgen und von Pflegern umgeben, die zum Schutz gegen den grässlichen Gestank Essigmasken trugen, regierte der lebende Leichnam noch bis zu seinem Tod im März 1185
.

Die Grabeskirche in Jerusalem, 1149 geweiht, war in der Kreuzfahrerepoche das wichtigste Heiligtum der Christen. Der spätromanische Bau über der Hinrichtungsstätte und dem Grab Jesu blieb, wenn auch im 19. Jahrhundert durch Brand, unsachgemäße Renovierungen und Ausschmückungen beeinträchtigt, bis heute erhalten
.
    (c) Interfoto, München

Gegenspieler der Kreuzfahrer
Sultan Saladin (1137/38-1193)
    Alexandria in Ägypten, im Frühjahr 1167. Die Stadt wird von den Christen belagert. Dem muslimischen Heerführer gelingt es, mit dem Großteil seiner Truppen aus der Stadt zu verschwinden. Zurück lässt er tausend Mann unter dem Befehl seines Neffen, eines Mannes von Ende zwanzig. Der zeigt sich der Lage gewachsen. Er verhindert die Erstürmung der Stadt, und in den Kampfpausen macht er Besuche beim Gegner. Zwischen den feindlichen Parteien entwickelt sich ein freundschaftlicher Verkehr mit Austausch von Geschenken und ausgedehnten Plauderstunden. Anfang August wird ein Waffenstillstand ausgehandelt, die tausend Mann Besatzung ziehen in guter Ordnung mit ihrem Kommandeur ab. Sein Name: Salah ed-Din Jusuf ibn Aijub, die Christen nennen ihn kurz Saladin.
    Der aufgeklärte Sultan
    In der islamischen Welt gilt Saladin als einer der ganz Großen. Aber auch im Abendland wurde sein Andenken gepflegt. Im Gegensatz zum Zerrbild des blutrünstigen Muslimen erschien er in der Literatur bald als der „edle Heide“. Schon in Boccaccios „Decamerone“ (1348–1353) ist er der edle Fürst, der sich einem Gegner beugt, der ihm intellektuell überlegen ist. Im 18. Jahrhundert wurde er als aufgeklärter Monarch gefeiert, z.B. von Voltaire in seiner „Geschichte der Kreuzzüge“ (1752), und so geht er auch, weltmännisch und wissbegierig, gütig und tolerant, durch die Handlung in Lessings Drama „Nathan der Weise“ (1779). „Ich habe nie verlangt, dass allen Bäumen
eine
Rinde wachse“, mit diesem Wort bringt er den Respekt gegenüber den Andersgläubigen auf den Punkt
.
Aufstieg in Damaskus
    Als Heerführer stieg er in Diensten Nur ed-Dins, des Herrn von Damaskus auf. Dieser war wiederum zeitweilig mit den Ägyptern verbündet und

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