Mittelalter, 100 Bilder - 100 Fakten
religiösen Vorurteilen. Im Zeitalter der Kreuzzüge kam sie zum offenen Ausbruch. Juden wurde der Gottesmord zur Last gelegt, und man verdächtigte sie, den Arabern bei der Eroberung der heiligen Stätten in Jerusalem geholfen zu haben. Nach dem Kreuzzugaufruf Papst Urbans II. (1095) setzten Pogrome ein. In Worms, Mainz, Köln und anderen Städten am Rhein kam es im Frühsommer 1096 zu Massakern (siehe Kasten). Besonders wütete dabei ein Haufe unter einem Ritter namens Emich von Leiningen. Er zog seine blutige Spur auch durch die Gettos von Regensburg und Prag und hätte die Plünderungs- und Mordaktionen wohl noch in Ungarn fortgesetzt, wenn ihn nicht ein Heer des ungarischen Königs auseinandergejagt hätte. Mitte des 12. Jahrhunderts kam es in England zum ersten Fall eines „Ritualmordes“; den Juden wurde vorgeworfen, ein Christenkind zur Verhöhnung der Leiden Christi in ritueller Form umgebracht zu haben. Die Ritualmordbeschuldigung wie auch der Vorwurf des Hostienfrevels sollten bald zum ständigen Repertoire der Judenverfolger gehören.
Massaker in Mainz
Eine zeitgenössische Chronik erzählt, wie die Kreuzfahrer im Frühjahr 1096 unter den Mainzer Juden wüteten: „Die Juden, die gemerkt hatten, dass sie den Händen dieser großen Menge nicht entrinnen könnten, flohen in der Hoffnung auf Rettung zum Bischof Ruthard und hofften alles von seinem Schutz, da er ja der Bischof der Stadt war. Der Bischof nahm eine ganz unerhörte Menge Geldes aus den Händen der Juden entgegen und legte es in sorgsame Verwahrung. Die Juden selbst versammelte er zum Schutz vor dem Grafen Emich und seinen Leuten im geräumigsten Saal seines Hauses. Aber Emich und seine ganze Schar hielten Rat, und bei Sonnenaufgang griffen sie mit Pfeilen und Lanzen die Juden im bischöflichen Saal an, brachen Riegel und Türen auf, überfielen die Juden, ungefähr siebenhundert an der Zahl, die vergebens dem Ansturm von so vielen Tausenden Widerstand zu leisten suchten, trieben sie heraus und machten sie alle nieder. Auf gleiche Weise schlachteten sie auch die Weiber ab. Und auch die zarten Kinder beiderlei Geschlechtes ließen sie über die Klinge springen.“
Seit dem Laterankonzil von 1215, das den Juden Verbot des Handels und der Übernahme öffentlicher Ämter, Kennzeichnung ihrer Kleidung und den Aufenthalt in bestimmten Wohngebieten (Gettos) auferlegte, verschlechterte sich ihre Lage weiter. Im Pogrom, das 1298 unter Führung eines Adligen namens Rindfleisch in Franken stattfand, kündigten sich die schrecklichen Verfolgungen an, die die Juden im nächsten Jahrhundert, dem Jahrhundert der Pest, erleiden sollten, als ihnen die Schuld am „Schwarzen Tod“ von 1348–1350 zugeschoben wurde.
Die Juden ziehen dem Papst zur Bestätigung ihrer Privilegien entgegen. Aus der Chronik des Konstanzer Konzils von Ulrich von Richental, um 1420. Staatlichen Schutz zu bekommen, war für die Juden des Mittelalters angesichts weit verbreiteter Feindschaft gegen sie stets von höchster Wichtigkeit
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Ein christlicher Staat in „Outremer“
Das Königreich Jerusalem (1099-1291)
Eine Woche nach der Einnahme Jerusalems durch die Kreuzfahrer wurde am 22. Juli 1099 das Königreich Jerusalem gegründet. Der erste gewählte Herrscher, Gottfried von Bouillon, lehnte den Königstitel ab, sein Nachfolger Balduin I. (1100–1118), nahm ihn an. Das neue Staatswesen umfasste zur Zeit seiner größten Ausdehnung (um 1153) ein Gebiet, das im Norden bis Beirut, im Süden bis Elat am Roten Meer reichte. Die Nordhälfte war eigentlich nur ein schmaler Streifen Küstenlandes, im Süden dagegen verbreiterte sich das von den Kreuzfahrern gehaltene Gebiet bis tief ins heutige Jordanien hinein. Zu den übrigen Kreuzfahrerstaaten, den Grafschaften Tripolis und Edessa und dem Fürstentum Antiochia, bestanden zeitweilig enge Bindungen.
Einheimische Strukturen blieben
Die Kreuzfahrer machten nur wenig Anstrengungen, eigene Siedlungen zu gründen. In den Dörfern hielten sich meist die einheimischen Strukturen, ebenso die überkommene muslimische Fiskalverwaltung – nur lieferte diese jetzt Erträge und Abgaben bei den neuen Herren des Landes ab. In gleicher Weise verfuhren die „Franken“, wie man sie im Morgenland nannte, in den Städten bei der Besteuerung von Handel und Gewerbe.
„Outremer“, Übersee, so der Begriff, mit dem die Kreuzfahrer ihre Lebensgemeinschaft im Heiligen Land bezeichneten, prägte die Einwanderer
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