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Mittelreich

Mittelreich

Titel: Mittelreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Bierbichler , MITTELREICH
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auch noch die Krankenkasse und Sozialversicherung hätte zahlen müssen.
     
    Die Itaker und Katzelmacher, wie sie gern geheißen wurden, hatten ziemlich zugenommen in der letzten Zeit, auch auf dem Land heraußen. Und bisher war die N -Partei die einzige, die mit scharfen Worten gegen diesen Missstand aufgetreten war. Und nicht nur auf dem Arbeitsmarkt und in den Straßen wirkten sie bedrohlich, diese Gastarbeiter, auch in die Weiber, in die jüngeren zumindest, war so eine Veränderung hineingewachsen, wenn sie in den Biergärten an Sommerabenden hinüberschielten zu den Italienern an den Nachbartischen, die da in ihren rosarot und himmelblau gefärbten Kunststoffhemden saßen und aus den aufgeknöpften Hemdenkrägen ihre schwarzen Kräuselhaare quellen ließen – wie Gedärm aus einer frisch gestochnen Sau: Da quollen Unverstand und Widerwille bei den Vätern und den Burschen dieser Mädchen heftig mit. Denn sie, die Trachtler, die Kavaliere dieser jungen Frauen, im Würgegriff ihrer zugeknöpften Leinenhemdenkrägen, die sich so eng um ihre Hälse schlossen, dass es ihnen fast die Augen aus den Höhlen trieb und das Atmen beinah wie ein Röcheln klang, die sahen neben diesen Italienern wie die eingezwängten Ochsen unterm Pflugjoch aus. Dagegen wirkte so ein Blick ins aufgeknöpfte Hemd von einem schwarz gelockten Gastarbeiter auf manche junge Frau wie der unverhoffte Blick in eine weite, unbekannte Welt ... und eine ungeahnte Sehnsucht stieg herauf und schwoll wie ein Furunkel: Amore!
     
    Wa wa wa wa wail ... weil ... du du du du du da da ... da da da da kei kei...ne kei kei...ne Pa pa Partei hast, gell ... wei ... wie wie wie die unsere, ... gell ... die die die wo ... wo ... wo ... wa ... wa ... wa ... wau ... ah ... wau wau ... wie wie wie da ... die die die ... Hau hau hau ... Hi hi hi hi hitler ... gell! Du nicht! Gell ... dudududu Hauhauhauhaubentaucher du! Gell. Du nicht! Hei hei Heil Hitler!
    Jaja. Heil Hitler. Jetzt hör nur wieder auf, Heinze! Nicht dass er sich im Grab drin noch mal umdreht, und das Hakenkreuz tät sich verbiegen und schaut am Ende aus wie ein katholisches, ein echtes.
    Der Zuber Storch hielt von den Ausländern auch nicht viel. Deren gekräuselte Haare auf der Brust ähnelten denen auf seinem Kopf, und seine Haut war auch nicht die hellste. Irgendwie kamen ihm die Ausländer verwandt vor, und das regte ihn am meisten auf. Aber dem Heinze sein Gelalle ging ihm allmählich auch ziemlich auf die Nerven. Diese ganze Heilhitlerscheiße ist vorbei, dachte er. Die bringt nichts mehr. Und wem soll man überhaupt noch trauen, wenn nicht nur sich selber.
    Der Holzwirt hatte derweil noch ein Weißbier einge schenkt und es vor den Heinze hingestellt. Das ist heut das zwölfte, Heinze, sagte er. Das dreizehnte spendier ich dir.
    Möchst mich besoffen machen, ha?!, schrie da der Müller Heinze laut und sprang, als ob er völlig nüchtern wär, von seinem Sessel auf. Mit mir nicht! Das kannst mit dem da machen – und deutete mit seinem Kinn in Richtung Zuber –, aber mit mir nicht! Gell! Das sag ich dir. Zahlen!
    Er ging zur Schänke, kramte ein paar kleine Scheine raus und legte sie gebündelt auf den Tresen. Nimm dir, was du brauchst, sagte er zum Wirt, und gib mir wieder, was zu viel ist. Dann verschwand er. Aufhalten konnte ihn keiner mehr. Der Müller Heinze ging direkt nach Hause und legte sich ins Bett. Am anderen Tag schon war Parteiversammlung. Und da wollte er gut ausgeschlafen sein und wieder nüchtern. So klar war er immerhin im Kopf, auch wenn der Rausch in ihm noch groß war.
    Ich pack es jetzt auch, brummte der Zuber. Seine ganze Stimmung war beim Teufel. Der Müller Heinze war gegangen, der Einzige, mit dem man sich noch hakeln konnte. Die andern waren alle so etwas von langweilig und ordentlich, so katholisch, fast schon protestantisch, selbst wenn sie was gesoffen hatten, dass einem so gut aufgelegten Existenzbejaher wie dem Zuber alle Freude zu versiegen drohte. Da musste er verschwinden, um nicht mit nach unten gezogen zu werden.
    Vor der Tür zum Ausgang drehte er sich noch mal um.
    Aufpassen müsst ihr schon, gell, dass der Pfarrer nicht eines Tages auftaucht und seine Messe da herin liest, beim Holzwirt, wenn ihr so brav drin hockts im Wirtshaus wie die Fürbittweiber in der Karfreitagslitanei, ihr duckmausigen Flachbrunzer, ihr! Und damit ging er. Draußen wuchtete er sich auf sein Moped und fuhr davon.
    Auf der Zündapp fühlte er sich wieder frei. Im Fahrtwind spürte

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