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Mittelreich

Mittelreich

Titel: Mittelreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Bierbichler , MITTELREICH
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angefühlt haben, die demokratische, die die Menschen von einem Tag auf den anderen übergezogen bekamen, aber in ihr drin brodelte es noch wie eh und je.
    Gerade als der Seewirt auf der Rückseite einer Speisekarte die Kreuze für die einzelnen Wettbewerber zusammenzählen will, reißt ihm ein Windstoß das Papier aus der Hand, und auch die Zettel der anderen Juroren wirbeln durch die Luft und hinein zwischen die Zuschauerbeine. In dem großen Speisesaal, der zur Seeseite hin liegt und im Sommer als großes Zweibettzimmer mit Zusatzbetten für Kinder genutzt wird, hat der laute Steiff mit der Bemerkung: Herrgott, da herin stinkt’s ja, des hält ja kein Zigeuner nicht aus! Wer war denn das jetzt schon wieder?, das Fenster weit aufgerissen, und der Wind fährt im selben Augenblick so ungebändigt durch den Saal, wie der Feuersturm bei der Bombardierung durch die Landeshauptstadt gefahren sein muss, wenn die Berichte derjenigen stimmen, die mit dabei gewesen waren, so dass es jetzt von den Tischen die Tischdecken reißt, und die reißen die Weingläser mit, die auf ihnen stehen, halbvolle und halbleere, vor allem die, weil sie leichter sind als die vollen Bierkrüge, und die Teller kippen herunter und mit ihnen das immer noch rare Fleisch samt den Knödeln, die sie gerade noch bargen, und von den Verkleideten reißt es die Verkleidungen, zumindest von jenen, denen Tücher dazu die nen, einmal nicht sie selber sein zu müssen. Vom Podium reißt es die große Trommel, von den Köpfen der Musiker reißt es die beflaumten Trachtenhüte, ohne deren Flaum sie gar nichts wären, aber mit ihm auch nicht, und dem Seewirt reißt der Geduldsfaden. Laut brüllt er, wie man es von ihm nicht kennt, denn eigentlich ist er ein leiser Mensch und spricht meist nur von Mund zu Ohr. Doch jetzt, vom Tanzsaal aus, wo er gerade noch die Stimmen ausgezählt hat, brüllt er in den Speisesaal hinüber den Steiff an, dass der gefälligst das Fenster wieder schließen soll. Wer, denke er denn, bezahle ihm dann den Schaden, den der Wind anrichten könnte, wenn bei solchem Wetter die Fenster zur Wetterseite hin aufgerissen würden, so wie das gerade der Fall ist. Ob er denn überhaupt noch bei Trost oder schon besoffen oder gar schon übergeschnappt sei, und wenn ja, ob es denn dann nicht schon bald an der Zeit wäre allmählich, für ihn, den Steiff, seine Sachen zu packen und zu verschwinden. – Da kommt er aber beim Steiff nicht an. Was, schreit der zurück, bei dem Wetter willst du mich auf den See hinausjagen? Hat dir der Hausierer dein Hirn jetzt schon ganz zugeschissen?
    Mit dem Hausierer meint er den Schnapp, weil der als Hausierer anfing, bevor er als Haarschneider weitermachte. Und der Steiff, der von Sankt Haupten drüben mit einem Eisschlitten Marke Eigenbau über den See herübergekommen war, angetrieben von einem umfunktionierten Außenbordmotor, den er ein paar Tage zuvor den Amerikanern für eine Steige voll Renken abgehandelt hatte, der war ein Freund vom Fichtner, dem Sankt Haupter Friseur, von dem sich, bis der Schnapp kam, die Seedorfer immer die Haare haben schneiden lassen. Aber seit der Schnapp die gleichen Dienste anbietet, hat der Fichtner schwere finanzielle Einbußen auszuhalten. Deshalb wütet der Steiff so ungebremst gegen den Schnapp.
    Jetzt sind auch andere auf das laute Schreien aufmerksam geworden und reden auf den aufgebrachten Seewirt ein: Das kannst du nicht machen. Bei dem Wetter! Wenn dem Steiff was passiert! Und besoffen ist er ja auch schon, dann hast du ihn auf dem Gewissen.
    Das sieht der Seewirt ein, der sanfte Mensch, und lässt den Steiff, den unverbrauchten Nazi, weiterfeiern, nachdem der das Fenster wieder zugeriegelt hat.
     
    Der Sturm hat mittlerweile an Stärke dermaßen zugenommen, dass bereits ein Schaden gemeldet wird und der Seewirt aufs Podium der Musikkapelle steigt und den immer noch auf die Preisverleihung wartenden Leuten zuruft: Wir müssen jetzt mit der Siegerehrung noch warten. Unten am See hat es einen Baum gerissen, und der ist über die Straße gefallen, so dass wir jetzt erst mal den Baum wegräumen müssen, dass der Verkehr nicht behindert ist. Musi, spielts auf! Dass derweil die Freude nicht verrostet. Und damit steigt er vom Podium wieder herunter und sammelt den Valentin und den Viktor zusammen, die sich bis jetzt um den Bierausschank gekümmert haben, und miteinander holen sie die große Wiegensäge und zwei Beile aus der Werkstatt und gehen hinunter an den See und machen

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