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Mittelreich

Mittelreich

Titel: Mittelreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Bierbichler , MITTELREICH
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tenoral bis Alt, und der würde nun für alle Zeit das rotzig-feuchte, ekelige und oft auch erschreckend altmodisch klingende Schnauben der Pferde verdrängen.
    Die Mare schien es als Erste zu ahnen. In ihrem Gesicht war nichts zu sehen von dem, was sich in den Gesichtern der anderen als Neugier, Freude, Euphorie und ungebändigte Aufbruchsstimmung ausdrückte. Nichts. Sie ging schnell wieder weg und setzte sich in ihr immer noch stinkendes Zimmer und dachte an den toten Lux. Und auch der Viktor ahnte was.
    No, sagte er zum alten Fechtner, no, was meinste, da werden se wohl gezählt sein, deine Tage hier, was? Er schaute halb mitleidig, halb spöttisch, als er es sagte, sah in einen feindseligen Blick und erhielt doch keine Antwort. Der Fechtner war der Rossknecht und nicht des Viktors Freund. Er kümmerte sich um die Pferde, und ohne ihn ging nichts, was mit Zugtieren erledigt werden musste. Und auch der Fechtner ging weg, nach diesem Geplänkel mit dem Viktor, hinunter in den Stall, nahm das Putzzeug in die Hände und fing an zu striegeln. Zuerst den Bräundl, dann den Schwarzen und am Ende die Fanny. Drei Pferde waren es noch. Ein halbes Jahr später war nur noch die Fanny über. Zum Kleinholzausstreifen im Wald, und zum Unkrautackern auf dem Kartoffelfeld. Für das war der Bulldog ungeeignet. Da ging bei seinem Einsatz mehr kaputt, als hinzugewonnen war. Der Bräundl erhielt sein Gnadenbrot. Er war dem Seewirt ans Herz gewachsen.
    Nach diesem halben Jahr ging auch der Fechtner, der einstige Erbhofbauer aus Schlesien und spätere Rossknecht beim Seewirt, in Rente. Er bezog eine kleine Wohnung in der Kreisstadt. Man hat nicht mehr viel von ihm gehört.
     

     
    Der Ziegltrum erschien an seinem neuen Arbeitsplatz mit einer BMW 500 , der damals schwersten Maschine auf dem Motorradmarkt: ein BMW -Fahrer! Er war demnach ohne Zweifel befähigt, den neuen Traktor zu bedienen.
    Sein Motorrad war auf Kredit gekauft. Dafür hatte er einen größeren, aber erschwinglichen Geldbetrag angezahlt und musste nun den Rest in Monatsraten abstottern. Dieses Verfahren war neu. Es hieß Finanzierungsmodell und wurde von der wiederbelebten Wirtschaft angeboten, um den Konsum anzukurbeln. Da aber der Ziegltrum, wie üblich, nur ein besseres Taschengeld bekam, weil die Bezahlung für Landarbeiter hauptsächlich in freier Kost und Logis bestand, fragte man sich höchst verwundert, wie die Bezahlung der Monatsraten denn von ihm bewältigt werden wollte. Und vollends ratlos wurden Nachbarschaft und Hausbewohner, als im zweiten Jahr nach dem Einstand dieses rätselhaften Menschen, kurz vor dem Mittagessen, der große Tisch im Kücheneck war schon gedeckt, der Lieferwagen eines weithin bekannten Rundfunk- und Fernsehfachgeschäftes aus der Hauptstadt vorfuhr und die Fahrer mit der großen Truhe, die sie auslu den, vom Ziegltrum direkt in sein spartanisch eingerichtetes Knechtzimmer dirigiert wurden. Dort stellten sie den kommodenähnliche Kasten genau unter das Fensterbrett und öffneten danach seine beiden Türen – und was zu sehen war, verschlug jedem den Atem, der so was noch nie gesehen hatte: In den Kasten hineingebaut waren Plattenspieler, Radio und Fernseher. Der Ziegltrum hatte sich den modernsten Medienschrank der damaligen Zeit, wie sein Motorrad ebenfalls auf Kredit, in sein Knechtzimmer stellen lassen. Wie sollte das gutgehen? Dem Seewirt schoss die Schamesröte ins Gesicht, als er das sah: Sein erst acht Jahre alter Musikkombischrank war eine triste Bagatelle gegen dieses aufpolierte multimedialeklektizistische technische Gesamtkunstwerk – so jedenfalls wurde dieses Gerät in der Gebrauchsanweisung angepriesen, die der Seewirt durchlas, als er den Knecht an einem der folgenden Nachmittage mit dem Traktor auf das Eggnfeld hinausgeschickt hatte, zum Ackern, um die Abwesenheit des Ziegltrum zu nutzen und ungestört dessen Zimmer durchstöbern zu können.
    Kaum dass sie das Zimmer des Ziegltrum verlassen hatten, rannte der Seewirt den beiden Monteuren hinterher und machte ihnen klipp und klar deutlich, dass er keinerlei Bürgschaft für diese eben eingetroffene Lieferung übernehmen werde. Die beiden Herren möchten das bitte mit aller Deutlichkeit in der Firma Lindberg dem Geschäftsinhaber Herrn Lindberg ausrichten. Auch sollten sie ihn grüßen, denn er, der Seewirt, kenne ihn gut. Er habe selber schon einmal im Lindberggeschäft einen Musikschrank erworben, acht Jahre sei das jetzt her, und selbstverständlich sofort bezahlt

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