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Mittelreich

Mittelreich

Titel: Mittelreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Bierbichler , MITTELREICH
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und da habe er den Herrn Lindberg persönlich kennenlernen dürfen. Die Gelegenheit war günstig und es habe sich ganz zufällig ein kurzes Gespräch ergeben. Der Herr Lindberg, der gerade einen Kontrollgang durch seine Verkaufsräume ge macht habe, habe ihn, den Seewirt, angesprochen, ob er denn nicht etwa der Wirt von dem Gasthaus am See sei, in dem er im vergangenen Sommer einmal mit seiner Familie eingekehrt war. Und als der Seewirt erfreut zustimmte, dass das durchaus sein könnte, denn er wäre auf jeden Falle der Seewirt, nur könne er, das möge man entschuldigen, sich nicht an alle Gäste erinnern, die sein Gasthaus im Laufe eines Jahres und vor allem im Sommer besuchten, kam man in ein kurzes Gespräch. Er erinnere sich noch gut und gerne daran, sagte der Seewirt zu den Monteuren, dass man sich sehr angeregt über das Wetter und seinen Einfluss auf das Geschäft unterhalten habe. Auch der Gattin des Herrn Lindberg möge man, sollte man ihr zufällig begegnen, sehr herzliche Grüße ausrichten, denn auch die sei während des Gesprächs über das Wetter auf einmal dabeigestanden und habe den Herrn Lindberg sehr dringlich ins Büro gebeten, weil ein wichtiger Anrufer am Telefon gewesen sei. Da habe man sich gegenseitig sehr angetan die Hände geschüttelt. Er sei damals mit seinem besten Kriegskameraden – also er, der Seewirt, sei damals mit seinem besten Kriegskameraden unterwegs gewesen, weil der sich in der Hauptstadt gut ausgekannt habe, und deshalb sei man im Lindberg-Musikaliengeschäft zum Einkauf gelandet, weil es doch in der Hauptstadt das eindeutig führende Geschäft in dieser Sparte sei. Sein Kriegskamerad habe ihm damals diesen Tipp gegeben, ohne das geringste Wenn und Aber. Er habe sogar angefügt, dass Lindberg möglicherweise sogar das führende Geschäft dieser Art im ganzen Land sei. Jedenfalls habe der Kriegskamerad so etwas läuten gehört. Vielleicht kennen ihn die Herren ja, den Kriegskameraden, denn der sei schon des Öfteren Kunde im Linberggeschäft gewesen, sein Name sei Kranz, wenn der Name vielleicht die Erinnerung bei den beiden Herren anregen ... und so weiter.
    Ja.
    Jedenfalls, die Monteure versprachen, alles auszurichten, und machten sich dann, beinahe fluchtartig, wieder auf den Heimweg.
     
    Währenddessen hatten sich nahezu alle Hausbewohner im Zimmer des Ziegltrum versammelt und schauten fern.
    Nur die Alte Mare war in ihr Zimmer gegangen, das neben dem des Ziegltrum lag, und bereitete sich auf das Nachtgebet vor – mitten am Tag. Sie war zwar auch neugierig geworden und hätte gerne einen Blick auf dieses Fernsehen geworfen, von dem sie bisher nur gehört hatte, aber seit sie vor drei Tagen um fünf Uhr in der Früh im Stall und vor allen Kühen plötzlich dem vollkommen nackten Ziegltrum gegenübergestanden war, konnte sie dessen Nähe ohne ein brennendes Schamgefühl nicht mehr ertragen und vermied es, wo immer es ging, ihm zu begegnen. Sie war, wie jeden Tag um diese Zeit, gleich nach dem Aufstehen hinüber in den Stall gegangen, um die drei Kälber, die in diesem Spätfrühling noch als Nachzügler auf die Welt gekommen waren, den Mutterkühen zum Tränken zuzuführen. Da sie sich, wie immer, alleine wähnte, ging sie ihren Weg zur morgendlichen Arbeit mit gesenktem Kopf und ohne besondere Wachsamkeit, denn gerade dieser Weg war ihr an jedem Tag der liebste, und sie konnte ihn unbeachtet und wahrgenommen nur von den geliebten Kühen gehen. Um diese Zeit war außer ihr noch niemand auf, und weil es ihr, selbst nach fünfzig Jahren Zugehörigkeit zu diesem Haus, immer noch gegenwärtig war, dass sie als Dienstmagd und deshalb letztlich doch nur als Fremde durch dieses Haus und über die Wiesen ihres Dienstherrn ging, war es ihr angenehm, diesen belastenden Gedanken wenigstens einmal am Tag, um diese frühe Stunde eben, wie aufgehoben zu erleben. Und obwohl sie auch da schon ihrer Arbeit nachging, dabei aber gleichzeitig einer ganz per sönlichen, wenn nicht gar privaten Vertrautheit begegnete – den Kälbern und Kühen, von denen ihr einige so nahe ans Gefühl gewachsen waren, dass ihr die instinktiv erfassbare Wesensfremdheit zwischen Mensch und Tier schon ganz abhandengekommen zu sein schien –, war sie in dieser halben bis drei viertel Stunde vollkommen frei von jeglicher Anspannung. Sie fühlte sich so sehr bei sich, dass sie diese Arbeit auch nackt hätte verrichten können – trotz ihrer anerzogenen und von einem ungeschlechtlichen Leben umfassend

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