Mittelreich
sie in Heime stecken und behandeln. Es gibt bestimmt heilsame Übungen dagegen oder eine gute Medizin. Man darf das nicht auf sich beruhen lassen. Denn bevor so was von selber aufhört, breitet es sich eher weiter aus. Es hilft nichts, wenn man hier nur dumme Witze macht. Darüber gibt es nichts zu lachen. Nicht das Geringste! Solchen Menschen muss geholfen werden! Ohne Hilfe finden die sich nicht zurecht. Nur durch helfen kann man diese Leute auf gerechte Weise richten.
Was meinen Sie dazu, Herr Hanusch? Sie sind doch ein erfahrener Mann und haben sicherlich als solcher auch Beobachtungen gemacht. Was ist denn Ihre Meinung zu dem Thema, was sagen Sie zu solchen Fehlentwicklungen der männlichen Natur?
Die Schwestern hatten schon kurz nach Beginn der Ausführungen des Seewirts kopfschüttelnd und mit empörten Gesichtern die Küche verlassen, ohne vom relativierenden Versmaß in dem Vortrag überhaupt Notiz genommen zu haben. Taub blieben ihre Ohren gegen alles, was dem eingeübten guten Ton zuwiderlief.
Allein saßen die beiden Männer da, scheinbar übereingestimmt, und doch war ein fatales Missverständnis zwischen ihnen völlig ungeklärt.
Nu, ich möchte mal so sagen, hub der Viktor an, solche Dinge habe ich auch mitgekriegt. Die hat es da, wo ich war stationiert, schon auch gegeben. Aber das, was Sie gerade meinen ... also, die hat man genannt bei uns: die warmen Brüder. Die sind dann auch, wenn da einer ist auffällig geworden, sofort versetzt worden nachm Osten, an die Front. Das möchten nicht mehr viel gewesen sein von denen, die da noch sind zurückgekommen nach dem Kriege, möchte ich mal sagen. Die waren alle ausgesetzt einem Hass, gerade von den Unteroffizieren. Die haben die sofort verheizt und haben gemacht Kanonenfutter aus denen, wenn da irgendwas ist rausgekommen von so einer Veranlagung. Nun, wissen Sie, wenn ich bin ehrlich, dann muss ich sagen, die sind alles gewesen arme Schweine. Keiner hat sich da getraut, mit denen Freund zu sein. Da hatte jeder Scheu, die andern möchten meinen, dass er auch so einer ist. Drum waren die alle isoliert, die warmen Brüder. Schön war das nicht, das muss ich sagen, wie man die hat behandelt. Aber es hat wohl müssen sein, wegen der Moral in der Truppe.
Nachdenklich sitzen sie einander gegenüber, der Viktor und der Seewirt. Unangenehm ist ihnen die Nähe, die sie am Tisch und wegen des Themas zueinander haben. Ungemütlich fühlen sich beide.
Und so einer soll das Fräulein Zwittau auch gewesen sein?, fragt der Seewirt. Es ist schwer, sich das vorzustellen.
Der Viktor schaut den Seewirt aus den Augenwinkeln prüfend an. Soll er ihm in dieser heiklen Angelegenheit ohne Umschweif Nachhilfe erteilen? Schließlich ist der andere der Chef. Ein kluger Angestellter aber zeigt nicht, dass er klüger ist. Also versucht er es mit einem Beispiel.
Da, wo ich bin aufgewachsen, da haben wir gehabt damals, ganz in der Nähe, ein großes Schloss. Das hat gehört der Gräfin von Schnack, und die wird gewesen sein damals, nun, ich möchte mal sagen, so um die vierzig, wie sie hat ausrichten lassen ihre Hochzeit. Vorher war sie immer gewesen ledig, Jungfrau wohl. Und die hat da nun wollen heiraten einen jungen Kaufmann, die Gräfin, und der wird wohl gewesen sein, no, vielleicht fünf Jahre jünger als sie. Der kam aus Warschau und hat oft gemacht in unserer Gegend seine Geschäfte – er hat eingekauft landwirtschaftliche Produkte im großen Stil, Getreide, Rüben, Kartoffeln, waggonweise –, und da wird die Gräfin ihn wohl haben kennengelernt. Jedenfalls, nach der Hochzeitsnacht, die sie da im Schlosse hätten zusammen genießen sollen, war der junge Kaufmann auf und davon. Er hat nicht mal abgewartet den Morgen. Er ist nie wieder aufgetaucht. Aber er hat gehabt einen guten Bekannten, der auch ein Bekannter war von mir, und dem hat er später erzählt, was gewesen war der Grund, warum er ist getürmt so schnell und für immer. Und so ist bekannt geworden, dass die Gräfin war eine Gurke. So haben die genannt dort in der Gegend eine Frau, die keine Frau ist, aber auch kein Mann. Ich war damals erst so um die zwölfe und hab da nicht lang nachgefragt, warum das hieß die Gurke. Aber später hab ich mir können eine Vorstellung davon machen. Es war also so, dass die Gräfin war schon zwar gewesen eine richtige Frau. Das schon. Aber wie sie sich dann hat erregt, da im Bette, nicht, nach den Hochzeitsfeierlichkeiten, und was man da so hat für Fantasien als junge
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