Mitten im Gefühl: Roman (German Edition)
nicht geschockt sein würden.«
»Weiß Barney es?« Daisy kam gleich zur Sache; wie lange konnte es schon dauern, drei Tassen Tee zu brühen?
»Noch nicht.« Die junge Frau seufzte. »Ich wollte es ihm ebenfalls heute Abend erzählen.«
»Warum haben Sie das nicht schon früher getan?« Als ob sie das nicht wüsste.
»Ich hatte Angst. Ich wollte ihn nicht beunruhigen. Ich wollte nicht, dass er mich hasst … als er mich bat, zu ihm zu ziehen, da wusste ich, dass alles herauskommen würde … ich musste erst meinen ganzen Mut zusammennehmen.« Mel hob ihr Kinn und sah Daisy fest in die Augen. »Ich liebe ihn wirklich. Er hat meinem Leben wieder einen Sinn gegeben. Und Barney liebt mich.«
Daisy nickte langsam. Der anfängliche Schock ließ nach. Sie verstand, warum Mel sich davor gefürchtet hatte, es Barney zu sagen. Und ihr lief die Zeit davon.
»Na gut, hören Sie, ich werde jetzt noch nichts sagen. Sie können es Barney erzählen, sobald ich weg bin, und es mit ihm klären.« Daisy nickte der jungen Frau aufmunternd zu. Sie hatte das Gefühl, mehr als fair zu sein. Warum sah Mel nicht zufriedener aus? Ehrlich, diese Undankbarkeit heutzutage.
»Voilà!« Die Küchentür ging auf und Barney tauchte auf. Er strahlte über alle vier Backen und hielt nicht etwa drei Tassen Tee in der Hand, wie Daisy erwartet hatte, sondern ein Kleinkind mit porzellanblauen Augen und seidigem, weißblondem Haar.
Der vorige Schock ließ sich mit diesem einfach nicht vergleichen. Daisy hatte das Gefühl, als ob ihr der neue Teppich buchstäblich unter den Füßen weggezogen worden wäre.
Ein ungläubiger Blick zu Melanie Blake sagte ihr alles, was sie wissen musste. Der Junge, der eine gelbe Plastikschüssel schwang, war eine Bonsai-Ausgabe von Steven.
»Ich konnte nicht alles auf einmal tragen«, sagte Barney grinsend. Er hielt Daisy den Jungen hin und wackelte mit dessen winzigem Ärmchen. »Das ist Mels Sohn Freddie.«
Daisy scherte es nicht länger, ob sie nett war. Wohin hatten Vernunft und Freundlichkeit und Fairness sie schon groß gebracht? Die Nettigkeit segelte prompt aus dem Fenster.
»Ich muss gehen.« Sie brachte es nicht über sich, den Jungen anzuschauen. Sie konnte ja kaum atmen.
Barney wirkte bestürzt. »Gehen? Warum?«
»Fragen Sie doch Ihre Freundin.«
Mels Gesicht zeigte pure Verzweiflung. Gut! »Und wo Sie gerade dabei sind«, zischte Daisy, als sie an ihm vorbeimarschierte, »warum fragen Sie sie nicht nach dem Namen ihres Exfreundes?«
»Exfreund?« Barney war verwirrt. »Was für ein Exfreund?«
Daisy wusste, dass sie Barney erschreckte. Er war völlig unschuldig und konnte nichts dafür. Aber er musste die Wahrheit erfahren. »Mein Ehemann.« Einen Augenblick lang war sie von Zufriedenheit erfüllt, weil Mel sichtlich zusammenzuckte. »Der Mann, der ihr das Baby gemacht hat.«
Sie schlug die Haustür hinter sich zu. Daisys Gesicht fühlte sich steif an, als ob sie über Nacht eine Peelingmaske darauf vergessen hätte. Sie stapfte die Brocket Lane hinunter, sah das Gesicht des Kleinkindes wieder vor sich und verspürte eine solche Qual, dass es ihr buchstäblich den Atem raubte. Nicht daran denken, konzentriere dich auf etwas anderes, du musst es nur nach Hause schaffen, einfach nur nach Hause …
45. Kapitel
»Daisy, mein Faxgerät spinnt. Könnte ich Ihres … großer Gott, ist alles in Ordnung?«
Na toll. Einfach super. Von allen Menschen musste sie ausgerechnet auf ihn stoßen. Genau das hatte ihr jetzt noch gefehlt.
»Es geht mir gut. Kein Problem, Sie können gern mein Faxgerät benützen.« Sie versuchte verzweifelt, an Dev Tyzack vorbei zur Treppe zu kommen, aber er war nicht umsonst Kapitän der englischen Rugby-Nationalmannschaft gewesen. Jedes Mal, wenn sie nach links oder rechts trat, blockierte er ihr den Weg. Daisy war unfähig, ihm in die Augen zu schauen, darum sagte sie nur mit angespannter Stimme: »Ich tropfe Tauwasser auf den Teppich. Hören Sie, ich sagte doch, Sie können mein … «
»Vergessen Sie das Faxgerät. Was ist passiert?« Dev trat näher und zwang sie, ihn anzuschauen. »Erzählen Sie es mir.«
Die Tatsache, dass er so nett zu ihr war, brachte ihren Mund zum Zittern. »Nichts. Ich will nur … «
»Ist etwas mit Josh? Ein Skiunfall?«
»Nein.« Mein Gott, konnte er sie nicht einfach in Ruhe lassen?
»Daisy, sagen Sie mir, was los ist«, befahl Dev. Dieses Mal zitterten auch ihre Schultern.
»Et-etwas Sch-schreckliches.« Sie schüttelte den Kopf und
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