Mitten im Gefühl: Roman (German Edition)
lächerlich vor, weil er sich das gewünscht hatte. Er stieß die Tür auf und stellte fest, dass der Laden völlig leer war. Was hatte er denn geglaubt? Dass er sich in Brigadoon befand?
Die gute Nachricht war, dass er hier Fruchtgummi kaufen konnte. Und Batterien für seinen Walkman.
»Hallo«, rief er fröhlich, legte seine Einkäufe auf die Theke und strahlte den Mann dahinter an. »Ich bin gerade eben nach Colworth gezogen – eigentlich ins Hotel. Ich werde dort arbeiten. Mein Name ist Barney. Barney Usher.«
Christopher, der an diesem Morgen einen heftigen Streit mit seinem Freund Colin gehabt hatte und nicht in der Stimmung für geselliges Geplauder war, sah von der Zeitschrift auf, die er las, und sagte mit einer Stimme, die vor Ironie nur so troff: »Neu im Dorf, was? Da müssen wir unbedingt eine Party werfen.«
»Echt?« Der Junge wirkte entzückt.
Christopher starrte ihn ungläubig an. » Nein! «
Als Barney mit seiner Tüte aus dem Laden trat, fragte er sich, ob er im Hollybush Inn eine Cola trinken sollte. Vielleicht war das Personal dort etwas freundlicher. Er blieb auf dem schmalen Bürgersteig stehen, sah nach rechts und nach links …
Und dann sah er sie.
Barney glaubte, er habe vergessen, wie man atmet. Es war eindeutig dieselbe junge Frau, die mit ihrem kleinen Jungen auf der Hüfte die Brücke überquerte. Barney sah, wie sie stehenblieb, sich über das Geländer lehnte und ihrem Sohn etwas zeigte. Freddie lugte auf etwas im Wasser, lachte und klatschte in die Hände.
Barney ging auf sie zu und dachte, womöglich sei er doch in Brigadoon gelandet.
Freddie entdeckte ihn zuerst und stieß einen hohen Verzückungsschrei aus, als er den Mann wiedererkannte, den er vor einer Woche mit Ribena getränkt hatte.
»Du solltest deine Handschuhe tragen«, schimpfte Barney scherzhaft. Er hielt die rot-weißen Strickfäustlinge hoch, die aus den Jackenärmeln des Jungen baumelten, dann drehte er sich um und lächelte dessen Mutter an. »Hallo. Lustig, dass wir uns wiedertreffen.« Er hoffte, dass er nicht rot anlief; es war nicht gerade der genialste Spruch zur Anknüpfung eines Gesprächs.
»Hallo.« Sie schien erfreut, ihn zu sehen. »Wie ist es letzte Woche gelaufen?«
Barney wurde klar, dass sie glaubte, er habe sich um eine Stelle im Hotel beworben. Sein Lächeln wurde breiter.
»Wunderbar. Heute Morgen bin ich eingezogen. Morgen fange ich mit der Arbeit an. Nichts Tolles, nur Page, aber ich freue mich schon. Die Leute dort scheinen wirklich nett zu sein. Ich war nur kurz einkaufen« – er hielt die Tüte hoch – »und habe ein paar Sachen besorgt. Möchten Sie einen Fruchtgummi?«
Er erzählte ihr nicht die Geschichte, warum er ursprünglich in das Dorf gekommen war. Barneys Erfahrung nach war die Schilderung seiner Nierentransplantation als Gesprächsanknüpfung eine echte Spaßbremse.
»Schrecklich gern, aber nur ein rotes. Wir haben die Enten beobachtet.« Die junge Frau zeigte auf den Fluss.
»Ich kenne nicht einmal Ihren Namen«, sagte Barney.
»Melanie. Mel.«
»Ich bin Barney.«
»Ich weiß, dass Sie Barney heißen.« Ihre Augen tanzten. »Das haben Sie mir schon letzte Woche erzählt.«
»Oh.« Dieses Mal errötete er wirklich. »Ich dachte, das hätten Sie vielleicht vergessen.«
»Habe ich nicht.«
»Wo wohnen Sie?« Barney wedelte mit dem Arm in Richtung der kleinen Cottages, die etwas abseits der Straße lagen. »In einem der Häuser dort?«
Mel schüttelte den Kopf. »O nein, ich wohne nicht im Dorf. Ich … besuche hier nur jemanden. Das dort drüben ist mein Auto. Das grüne.« Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht und wies auf einen kleinen Fiat. »Nichts Besonderes, aber er bringt uns von A nach B. Eigentlich sollten wir uns jetzt wieder auf den Weg machen.«
Ihre Augen waren grau, aber es war ein warmes Grau, beschloss Barney. Und voller Humor. Einfach wunderschöne Augen.
»Und wo wohnen Sie?«, wiederholte er.
»In Bristol. In einem Viertel namens Kingswood, aber das werden Sie nicht kennen.« Mel schob Freddie auf die andere Hüfte und ging auf den kleinen Fiat zu.
Sie wollte fort! Pure Panik ließ die nächste Frage aus Barneys Mund sprudeln. »Müssen Sie zu Ihrem Ehemann?«
»Nein«, sagte Mel. »Ich habe keinen Ehemann.« Sie hielt die linke Hand hoch und wackelte mit den Fingern, die unberingt waren, wie er sich erinnerte. Sie trug nur einen großen, spiralförmigen Silberring am Daumen.
»Zu Ihrem Freund?«
»Ich habe auch keinen Freund.
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