Mitten im Gefühl: Roman (German Edition)
und als widerliche, kleine Schlampe bezeichnen würde.
Andererseits trug sie noch ihre Uniform und wollte unbedingt ein Bad nehmen, bevor Dominic auftauchte.
»Es ist niemand Besonderes.« Tara kletterte aus dem Wagen. »Ich habe ihn Daisy gegenüber nur noch nicht erwähnt, weil er eben nicht erwähnenswert ist.«
»Wenn Sie meinen.« Josh stieg ebenfalls aus und ging auf die Fahrerseite. »Morgen um dieselbe Uhrzeit?«
»Gern«, sagte Tara. »Wenn Sie noch wollen.«
»Natürlich will ich noch.« Josh zwinkerte ihr zu. »Dann können Sie mir alles über ihn erzählen.«
Der Wetterbericht im Radio hatte davor gewarnt, dass sich das Wetter drastisch verschlechtern würde. Mel stopfte ihre behandschuhten Hände in die Taschen ihrer gefütterten Jacke. Sie stand neben ihrem Wagen und betrachtete das Cottage. Die Luft war bereits so kalt, dass ihre Nase und ihre Ohren schmerzten. Am schwarzen Nachthimmel funkelten hell die Sterne.
Sollte das wirklich ihr Zuhause werden? Weniger als dreihundert Meter von Colworth Manor entfernt? Würde Daisy MacLean einen Mordskrach schlagen, sobald sie es herausfand?
Mel verlagerte ihr Gewicht von einem eiskalten Fuß auf den anderen und dachte daran, dass sie auch weniger als dreihundert Meter vom Friedhof entfernt war, auf dem Steven begraben lag. Würde es ihm etwas ausmachen?
Stolz wie ein frischgebackener Vater führte Barney sie durch das Haus. Die meisten Fenster standen offen, damit sich der Geruch nach frischer Farbe verziehen konnte. Das Haus war eiskalt, leer und hallte bei jedem Schritt wider, aber Barney sprudelte über vor Plänen. »Morgen kommen die Teppiche und das neue Bett«, rasselte er herunter. »Daisy gibt mir ein paar alte Sachen aus dem Hotel – ein Sofa, einen Esstisch und Stühle. Pam vom Empfang sagt, sie kann uns ein paar Vorhänge überlassen, und Bert Connellys Bruder kann uns einen billigen Kühlschrank besorgen.«
Mel sah ihn an. »Wie kannst du dir all das leisten?«
»Ich habe mir Geld von meiner Mum geborgt.«
»Hast du ihr von uns erzählt?«
Barney zögerte. Er lief krebsrot an. »Noch nicht. Ich habe ihr gesagt, mein Auto würde einen neuen Motor brauchen. Und ich zahle ihr das Geld auf jeden Fall zurück.«
Mel sah zu Freddie hinunter, der in seiner Babytrage auf dem Boden im Tiefschlaf lag. Sie war gerührt, dass Barney so viel für sie tun wollte, aber etwas bereitete ihr Kummer. »Warum hast du ihr nicht die Wahrheit gesagt?«
»Du kennst meine Mutter nicht«, sagte Barney mit wehmütigem Blick. »Sie würde eine Million Fragen stellen und vor Sorge ganz krank werden. Sie ist ziemlich fürsorglich veranlagt.«
Er verheimlichte ihr etwas. Mel erkannte die Anzeichen und ihr wurde klar, dass er so aussah, wie sie sich fühlte. »Barney, du bist 26. Wenn du 16 wärst, könnte ich es verstehen, aber du bist jetzt alt genug. Du kannst tun und lassen, was du möchtest.«
»Na schön, es gibt da etwas, das ich dir erzählen sollte.« Barney schüttelte den Kopf und bereitete sich auf sein Geständnis vor. »Offen gesagt war ich nicht ganz ehrlich zu dir.«
Mel schauderte plötzlich. Bislang war alles so gut gelaufen. »Mein Gott, sag nicht, dass du erst 16 bist!«
Barney deutete ein Lächeln an. »Nein, das ist es nicht. Und ich verspreche, dass es nichts Schlimmes ist.«
»Bist du verheiratet?«
»Natürlich nicht!« Barney zog die Ärmel seines verklecksten lila Pullis über die Unterarme und griff nach Mels eiskalter Hand. Kondensationskringel schwebten durch die Luft, als er ein paar Mal tief Luft holte. »Also gut, jetzt hör mir mal zu.«
Mel war sprachlos. Sie hatte an eine Menge Dinge gedacht, aber daran nicht. Niemals. Unzählige Gedanken schwirrten ihr durch den Kopf und sie hatte Mühe, alle unter Kontrolle zu halten.
Barney war am Leben, weil Steven tot war. Die Narbe an Barneys Seite stammte von der Operation, bei der man Stevens Niere in seinen Körper verpflanzt hatte.
»Ich wusste, ich würde es dir früher oder später erzählen müssen«, hatte Barney gesagt. »Ich muss ja auch all diese Pillen schlucken, damit mein Körper das Organ nicht wieder abstößt.« Er hatte geschwiegen und dann schüchtern hinzugefügt: »Du siehst ziemlich schockiert aus.«
Schockiert beschrieb es auch nicht annähernd.
»Gib mir fünf Minuten.« Mel hatte ihre Hand weggezogen und war auf die andere Seite des Raumes gegangen. Sie hatte auf Freddie geschaut, der immer noch mitten im Zimmer in seiner Trage schlummerte. Barney hatte
Weitere Kostenlose Bücher