Mitten in Amerika
wie Vögel durch die Luft flogen. Wenn Sie nördlich von Cowboy Rose am Friedhof vorbeifahren, dann kommt dieses kleine Steingebäude, wissen Sie? Das war der Windradladen von Ace, als er Partner des Holländers war. Davor hatten sie in Amarillo einen großen Laden. Ace wohnt heute noch in Cowboy Rose. Sein fieser alter Deddy liegt hier in Woolybucket auf dem Friedhof. Mein Mann hat als Junge bei ihm gearbeitet. Bei Ace, meine ich, nicht bei seinem Deddy. Bei Ace und dem Holländer. Ace’ Frau würde gerne verkaufen. Sie würde gerne nach Kalifornien ziehen. Damit muß sie wahrscheinlich warten, bis Ace den Löffel abgibt. Ihre Enkeltochter war das Mädchen bei dem Quilttreffen letzte Woche. Sie erinnern sich bestimmt. Die Schwangere. Dawn. Ihre Mutter Phyllis war auch da, und ich muß schon sagen, daß sie als junge Frau kein bißchen besser war als Dawn. Ace und Vollie hatten nichts zu lachen. Ace war eine bedeutende Persönlichkeit hier in der Gegend. Genau wie sein Deddy. Der war in den zwanziger Jahren eine große Nummer im Klan. Hieß bei allen der zornige Zyklop.« Sie sah Bobs gerunzelte Stirn.
»Jetzt passen Sie mal auf, Bob. Sie kommen aus Denver und haben keine Ahnung von den Leuten hier. Wahrscheinlich werden Sie uns auch nie verstehen, weil Sie eben nicht von hier sind. Damals war der Klan keineswegs eine Horde geisteskranker Herrenmenschen, sondern es waren anständige Christen mit patriotischen und ritterlichen Idealen. Sie hatten ein Auge auf die Gemeinschaft und sorgten für die Verbreitung christlicher Moral. Für Neger hatten sie nichts übrig, das stimmt,aber für Katholiken und Juden genausowenig. Jedenfalls war das nicht die Hauptsache. Ihnen ging es darum, daß die Leute sich anständig benahmen. Die Frauen im Ku-Klux-Klan schauten sehr auf die Moral. Und das mußten sie auch!
Der KKK machte es sich zur Aufgabe, die Leute zu bessern. Sie brachten die Männer dazu, Hütten mit zwei Zimmern zu bauen, damit Jungen und Mädchen getrennt werden konnten. Sie wirkten auf die Mütter ein. Wenn Mädchen in Schwierigkeiten kamen, dann brachten sie sie nach Amarillo in das Heim für ledige Mütter. Sie hielten Augen und Ohren offen und wußten, wann es bei einem Mädchen dazu gekommen war, bevor die Betreffende es selber wußte. Und zu Weihnachten packten sie Lebensmittelkörbe für notleidende Familien, die sie ›Geschenk von Santa Klaus‹ nannten. Nein, aus meinem Mund werden Sie nie ein Wort gegen den Klan hören. Er war eine Gemeinschaftsorganisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, für anständiges christliches Benehmen zu sorgen. Sie können mir glauben, daß jeder dort Mitglied sein wollte. Ich persönlich finde, daß der Panhandle ohne den Klan nicht der Panhandle wäre.«
Auf der Veranda ertönten Schritte, und ein großgewachsener junger Mann mit einem dicken blonden Pferdeschwanz trat in die Küche. Er trug eine kurze magentarote Radfahrerhose und ein schwarzes Trikot, abgetragene Rennradschuhe. An seinem Hals glitzerte eine Goldkette. Sein Gesicht war schmal und dünn, gebräunt und mit öligem Schweiß bedeckt, wo keine Bartstoppeln wuchsen. Der rechte Arm und das rechte Bein waren aufgeschürft, mit kleinen Blutstropfen gesäumt. Er sah äußerst aufgebracht aus.
»Da schau an, was uns der Wind ins Haus bläst«, sagte LaVon.
»Jetzt paß gut auf«, sagte er, öffnete den Kühlschrank und riß von einem kalten Brathuhn ein Bein ab, »ich bin müde, ich bin verschwitzt, ich habe Hunger, und ich habe Schmerzen,weil ein Arschloch mich von der Straße abgedrängt hat, und deshalb bin ich nicht in der Stimmung für sarkastische Bemerkungen. Kein Bier da?« sagte er, drehte sich um und sah Bob. »Wer zum Teufel ist das denn?«
»Kein Bier da. Coolbroth, das ist Bob Dollar; Bob, das ist mein Sohn Coolbroth. Er schnitzt. Er hat die Figuren draußen bei der Baracke geschnitzt. Hin und wieder läßt er sich zu Hause blicken. Cool, Bob hat die Baracke gemietet. Du mußt in Graindeddys Zimmer schlafen.«
Coolbroth Fronk drehte sich ganz um und maß Bob Dollar mit dem Blick. Kalte und sofortige beiderseitige Animosität war das Ergebnis.
19. Das Büro des Sheriffs
A m nächsten Morgen suchte Bob brav das Büro des Sheriffs in Woolybucket auf. Es gab keinen Empfangsschalter, nur Christine Logevall von einer der Meldestellen, die unter schwierigsten Verrenkungen grünen Lack auf ihre Zehennägel malte, weil ihre knappe Kleidung und die Arthritis verhinderten, daß sie sich weit genug
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