Mitten in Amerika
die Ihnen?«
»Vierundzwanzig«, sagte Bob in der Gewißheit, daß der Sheriff dieser Panhandle-Ortschaft merklich weniger verdienen mußte, nach der uralten Ausstattung seines Büros zu schließen.
»Wenn Sie der Schlaumeier wären, für den Sie sich halten, dann wären Sie in Austin und einer von diesen Computerkrösussen«, sagte der Sheriff.
»Nein«, sagte Bob. »Die Zeiten sind vorbei. Aus und vorbei.«
»Dann sollten Sie den Strafvollzug in Betracht ziehen.« Für einen Augenblick dachte Bob, der Sheriff drohe ihm mit einer Haftstrafe, doch dieser sprach unaufgeregt weiter.
»Im Strafvollzug läßt sich gutes Geld verdienen. Gefängnisse sind ideal für Landstädtchen wie Woolybucket in schweren Zeiten. Überlegen Sie: eine Handvoll alte Farmer, die von staatlichen Subventionen leben, und Rancher, die ihre letzten paar Kröten aus dem Ölboom für ihre Viehzucht verpulvern. Ein Gefängnis ist eine sichere und zuverlässige Einnahmequelle für Stadt und Verwaltungsbezirk. Beschäftigt Ortsansässige, zahlt Steuern, zahlt für Wasser und alles übrige, zahlt Umsatzsteuer. Und zieht weitere Firmen an. Die Besucher der Gefangenen brauchen Motels, Restaurants, Tankstellen, Busdepots und Wal-Marts. Einen großen fetten Wal-Mart würde ich für mein Leben gern in Woolybucket angesiedelt sehen. Das würde die Stadt auf Vordermann bringen. Drüben in Pampa haben sie ein Spitzengefängnis.«
»Und wie passe ich da ins Bild?«
»Na, Sie sollten Grundstücke für eine Firma suchen, die Gefängnisse bauen will und nicht Schweinefarmen. In Nashville gibt es eine. Ich könnte mir vorstellen, daß die ein anständiges Honorar abdrücken, wenn man eine verschlafene Kleinstadt am Arsch der Welt aufstöbert, die sich perfekt als Gefängnisstandort eignet. Die besten Gefängnisse sind auf dem Land. Setzen Sie sich mit der Firma in Nashville in Verbindung und sagen Sie denen, daß Sie im Panhandle ein paar Stellen wüßten, die sich für die Gefangenenverwahrung geradezu anbieten. Wenn die Insassen neben einer Schweinefarm wohnen, bessern sie sich wahrscheinlich in Rekordgeschwindigkeit.« Unvermittelt stand er auf und setzte seinen Hut auf. »Bis dahin behalte ich Sie im Auge. Raus jetzt.«
Als er aus der Stadt fuhr, fiel ihm ein neues Restaurantschild ein paar Häuser vom Old Dog entfernt auf.
H EALTHY C HRISTIAN C AFÉ besagte es, und im Fenster verkündete ein kleiner Anschlag:
Nachmittagstee von drei bis fünf Uhr
Große Gebäckauswahl
Im Unterschied zu den Fenstern des Old Dog waren die Schaufenster hier blitzblank und von Spitzenstores gerahmt; Geranientöpfe lockten. Ältere Frauen strömten stetig in das Lokal, viele in geblümten Kleidern und mit weißen Handschuhen, und Bob fuhr langsamer, um einen Blick auf das Innere zu erhaschen, wo es von Gästen wimmelte, Wassergläser funkelten, eine Kellnerin mit Musselinschürze einen Wagen mit Sahnegebäck schob, eine ältliche Dame eine Mokkatasse an die faltigen Lippen führte. Neben dem Fenster las man auf einer großen Tafel mit austauschbaren roten Plastikbuchstaben:
W ILLKOMMEN IN W OOLYBUCKET
A LLES G UTE ZUM G EBURTSTAG , T AMMY
Glückwünsche
Karottenkuchen Tagesgericht
Aha, dachte er, Konkurrenz für das Old Dog Café. In gewisser Hinsicht. Und weil er Karottenkuchen besonders gern aß, hielt er an und ging hinein und grüßte viele der Frauen, an die er sich von dem Treffen des Quiltkränzchens erinnerte. Männer gab es keine. Er warf einen Blick auf die Karte; es gab Sandwiches mit Hühnersalat und mit Eiersalat, eine Tagescremesuppe, eine Überraschungstagesspezialität und diverses Gebäck, das zu Tee, Kaffee und heißer Schokolade gereicht wurde. Die Gäste waren ersichtlich nur wegen der Desserts da.
»Gibt es noch Karottenkuchen? « fragte Bob die Kellnerin; sie hatte ordentlich in der Mitte gescheiteltes schwarzes Haar, trug einen enganliegenden rosa Kittel und kam ihm irgendwie bekannt vor.
»Heute ist Ihr Glückstag. Normalerweise ist um die Zeit nichts mehr übrig, aber heute haben wir mehr gebacken alssonst, und es ist noch ein schönes Stück für Sie da. Und Reispudding, soviel Sie wollen. Cremehörnchen auch.«
Als sie ihm die Süßspeise servierte, erkannte er sie – Dawn Crouch, Ace Crouchs schwangere Enkeltochter, die Abel mit dem Gesicht von James Dean versehen hatte.
»Sie haben Ihr Baby bekommen«, sagte er. »Junge oder Mädchen?«
»Zwillinge. Beides. Ich habe sie James und Jeanette genannt.
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