Mitten in Amerika

über ihre Füße beugte. Sie blickte nicht auf, als Bob eintrat, und nach kurzem Zögern klopfte er an die Milchglastür mit der Aufschrift S HERIFF .
    »Jo«, sagte eine ausdruckslose Stimme, und Bob stieß die Tür auf.
    Er war noch nie zuvor im Büro eines Sheriffs gewesen, doch er begriff sofort, daß es sich dabei um einen ungemütlichen Ort handelte, sofern man nicht der autorisierte Bewohner oder dessen Stellvertreter war. Die Wände waren in dem matten Pistaziengrün gestrichen, das sich bei kleinen Gemeinwesen so großer Beliebtheit erfreut. Ein betagtes Hundehalsband beschwerte einen Papierstapel, dessen Ecken raschelten, weil des Sheriffs elektrischer Ventilator lief. Die Luft im Raum war trotzdem schal und abgestanden. Das einzige Fenster war vergittert. An der Wand hing eine Axt, und von der Garderobe baumelte eine geblümte Krawatte. An der Wand hinter dem Schreibtisch sah Bob ein Foto, auf dem der Sheriff einen teenagergroßen Pokal umschlungen hielt, und darunter in einem flachen Glaskasten ein Paar Handschellen in Übergröße, die laut Beschriftung für Jack »Big Wrist« Derrida maßgefertigt worden waren. Zwei unförmige Computer aus den achtziger Jahren, schwarz vor Schmutz, brummten auf dem Schreibtisch des Sheriffs vor sich hin, und in der Ecke des Zimmers standen auf einem weiterenTisch ein Drucker, ein Fax aus der Steinzeit und eine elektrische Kaffeemaschine. Das Telefon war ebenfalls ein Sammlerstück, das schwarze Bell-500-Modell aus dem Jahr 1949, ein Gerät mit Wählscheibe und dem grellen Klingeln eines Filmtelefons, das die Heldin immer viermal läuten läßt, bevor sie abnimmt.
    Der Sheriff blickte auf.
    »Für Sie tun?«
    »Gestern. Sie haben mich vorgeladen. Bob Dollar.« »Ach, richtig. Setzen Sie sich.«
    Bob setzte sich auf den einzigen Stuhl, ein orangegelbes verdrecktes Charles-Eames-Imitat. Alle Möbel sahen aus wie fünfzig Jahre alter Sperrmüll und waren ausnahmslos mit Glanz und Patina unzähliger schmieriger Handabdrücke überzogen.
    »Was tun Sie hier in Woolybucket County, Bob?« fragte der Sheriff freundlich, doch sein Blick war so durchdringend und kalt, daß Bob seine Geschichte zu erzählen begann: wie seine Eltern ihn vor Onkel Tams Tür ausgesetzt hatten und in Alaska verschwunden waren, sein Leben in der Armut mit Onkel Tam (Bromo ließ er weg, um die Geschichte nicht unnötig zu verwirren), seine erste Stelle. Doch als er seine Arbeit für Global Pork Rind zu schildern begann, machte er einen weiten Bogen um die Wahrheit. Ja, sagte er, allem Anschein nach sei er von Global Pork Rind beauftragt, Grundstücke für Schweinemästereien zu suchen, doch in Wahrheit handele er im Auftrag von Global Deluxe Properties, einem Subunternehmen von GPR, das sich für Grundstücke auf dem Land interessiere, die man in Luxusruhesitze umwandeln könne. Dann schwieg er.
    Der Sheriff schwieg ebenfalls geraume Zeit. Sein Blick hatte sich nicht verändert.
    »Vermutlich haben Sie einen Grund, warum Sie das erzählen«, sagte der Sheriff, »aber da könnten Sie sich in die Ecke manövriert haben. Ein paar weniger zart besaitete Zeitgenossen interessieren sich für Sie und für Ihr Tun und Lassen. Vielleicht sollte ich Ihnen sagen, daß ich mich bei GPR erkundigthabe. Sie suchen schlicht und ergreifend nach Standorten für Schweinefarmen, von wegen Global Deluxe, das gibt es gar nicht. Gesetzlich ist nichts dagegen einzuwenden, daß jemand Standorte für Schweinemästereien sucht, aber den Leuten vorzuschwindeln, Sie wären in der Luxusruhesitzbranche tätig, das könnte Ihnen auf Dauer schlecht bekommen. Ich nehme an, daß der Preisunterschied zwischen Land für Mastbetriebe und Land für eventuelle Luxuswohnungen sowieso irgendwelche nennenswerten Abschlüsse verhindern wird. Sie denken vielleicht, daß die meisten dieser alten Knaben es in der Schule nicht besonders weit gebracht haben und daß Sie sie deshalb aufs Kreuz legen können, aber da täuschen Sie sich. Diese ungebildeten alten Trottel sind Ihnen ganz gewaltig über. Und warum Sie lügen, ist mir schleierhaft. Im Panhandle sind noch zwei von Ihrer Sorte unterwegs, und jeder von euch tut so, als wäre er was anderes als das, was er ist. Ich werde Sie jedenfalls im Auge behalten.«
    »Wer?« sagte Bob. »Wer sind die anderen?«
    »Sie sind doch so schlau, finden Sie es raus«, sagte der Sheriff. »Aber wenn ich Sie wäre, dann würde ich diese Drecksarbeit für die Schweinefarmen keine Sekunde länger machen. Was zahlen