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Mitten in Amerika

Mitten in Amerika

Titel: Mitten in Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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niemand namens Brassleg drin. Versuchen Sie es bei der Auskunft«, und sie reichte ihm ein schnurloses Telefon. Doch auch die Auskunft hatte niemanden namens Brass- leg verzeichnet.
    »Danke«, sagte er und ging zu seinem Wagen zurück. Der alte Indianer war verschwunden. Bob sah den Highway in beide Richtungen entlang, ging in der Herrentoilette nachschauen, ging in den Laden zurück.
    »Ist der alte Knabe bei Ihnen aufgetaucht?«
    »Seit Ihnen war niemand da.«
    »Er hat sich in Luft aufgelöst.«
    »Sagten Sie nicht, daß er als Anhalter unterwegs war?« »Ja.«
    »Warum machen Sie sich dann Gedanken? Vielleicht hat es ihm mit Ihnen nicht gefallen, vielleicht war er froh wegzukommen.« Sie sah ihn mit einer Miene an, als würde es ihr auch nicht mit ihm gefallen.
    »Ich habe ihn mitgenommen«, sagte Bob, »und bin für ihn verantwortlich«, und er ging zu dem Saturn zurück und fuhr auf den Highway. Er dachte, daß er sich jetzt eine Zigarette anzünden würde, wenn er Raucher wäre. Er wünschte, er hätte sich in dem Laden etwas Süßes gekauft. Er war inzwischen sehr hungrig und sehr müde, und seine Beine schmerzten an der Stelle, wo der Sitz des Saturn in die Oberschenkel schnitt. Als er sich der Interstate 25 näherte, sah er eine vertraute Gestalt dahintrotten: den alten zittrigen Indianer. Mit einem enervierten Stöhnen hielt Bob an.
    »Wie sind Sie hierhergekommen?« fragte er mit vor Verärgerung strenger Stimme, obwohl er sich vorzustellen versuchte, was es hieß, ein alter Indianer zu sein, der all seine Habseligkeiten in einer Neiman-Marcus-Tasche mit sich führte.
    »Bin mitgenommen worden. Dame sagte, meine Tochter wohnt hier nicht. Dame lebt hier ihr ganzes Leben lang. Weiße Haare.«
    »Und was haben Sie jetzt vor?«
    »Weiß ich nicht.«
    Bob stieß einen hörbaren Seufzer aus. Jetzt saß er wirklich in der Patsche. Er dachte an Bruder Mesquite, der etwas darüber gesagt hatte, daß Erfahrungen den Menschen als Menschen wachsen lassen. Bob konnte geradezu spüren, wie er schrumpfte.
    »Steigen Sie ein. « Er atmete tief durch die Nasenflügel. »Wir wissen, daß sie Krankenschwester ist, nicht wahr? Wir wissen,daß sie heute arbeitet, stimmt’s? Wir wissen bloß nicht, wo. Ich schlage deshalb vor, daß wir das Krankenhaus in Trinidad aufsuchen und uns erkundigen, ob sie dort arbeitet. Und wenn sie das nicht tut, dann sollten wir uns an den Sheriff wenden. Sheriffs kennen Gott und die Welt. Das müssen sie«, sagte er in der Erinnerung an Hugh Dough. »Was sagen Sie dazu?«
    »Ich sage okay. Das ist okay.« Der alte Mann lehnte den Kopf zurück und schloß wieder die Augen.
    Bob fuhr wie ein Geistesgestörter, raste Straßen entlang und wieder zurück, verhakte sich fast in die Stoßstange eines alten Pickup, bis dessen Fahrer es nach einigen Meilen merkte und auf die Gefälligkeitsspur fuhr, fand sich dann hinter einem Sattelschlepper eingekeilt, der sich auf beiden Spuren breitmachte, und wünschte sich, er hätte ein Handy und könnte die Nummer anrufen, die hinten auf dem Anhänger stand, und die kokette Frage beantworten, die neben der Nummer zu lesen war: WIe fInden SIe meInen FahrStIl?
    »Beschissen!« fauchte Bob. Zu seinem Mitfahrer sagte er: »Alter Mann, wenn wir Ihre Tochter finden –«, doch er wußte nicht, wie er den Satz beenden sollte.
     
    Das Krankenhaus in Trinidad war ein niedriges, bescheidenes Gebäude; Bob nahm an, daß Rodeo- und Reitunfälle an der Tagesordnung waren, denn ringsum war Ranchgebiet. Sie gingen zusammen hinein; Bob wollte, daß diesmal der alte Mann die Fragen stellte.
    »Gehen Sie nur hin«, sagte Bob. »Fragen Sie an der Information, ob Ihre Tochter hier arbeitet.«
    Der alte Mann hatte kaum drei langsame Schritte dem verglasten Informationsschalter entgegen getan, als eine füllige Frau in purpurrotem Twinset, die einen Mann im Rollstuhl mit einem Gesicht wie eine zerknitterte Papiertüte schob, »Vater!« sagte und sich abrupt zu ihm umdrehte.
    »Tochter«, sagte der alte Mann gelassen. »Ich habe deinen Brief mitzunehmen vergessen. Wir haben dich gesucht.«
    Sie sah Bob an, der die Achseln zuckte.
    »Er stand an der Straße. In Oklahoma. Und ich war unterwegs nach Denver.«
    »Ja. Dieser Mann hat mich mitgenommen. Hergefahren. Er hat mir geholfen, dich zu suchen.«
    »Aber Vater, du mußtest doch nicht als Anhalter fahren. Und was hattest du in Oklahoma zu suchen? Ich habe dir doch Geld für den Bus geschickt.« Sie wandte sich an Bob und sagte: »Er

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