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Mitten in Amerika

Mitten in Amerika

Titel: Mitten in Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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Herzblut vergossen, um unsere Ranch in Ordnung zu halten. Nicht mal Kühe können wir inzwischen noch halten. Nicht mal die Kühe können den Gestank ertragen. Finden Sie es richtig, daß irgendwelche gemeinen Konzerne das Land im Panhandle einfach aufkaufen und die Bevölkerung wegjagen dürfen? Ich weiß nicht, was aus uns werden soll. Mein Mann sagt, wenn er ein junger Mann wäre, würde er das Gras anzünden und sie ausräuchern. Ich weiß wirklich nicht, was aus uns werden soll. Der Senator in Amarillo will uns nicht helfen. Der ist von den Schweinemastgroßbetrieben gekauft. Die haben in Texas reihum alle Politiker gekauft. Und für die Leute in Austin ist der Panhandle weit weg, und wert ist er ihnen sowieso nichts; die finden, daß er für Schweinefarmen gerade richtig ist. Das wird eine schlimme Nacht mit dem Gestank.«
    »Sie könnten mit Ihrem Mann sprechen und herausfinden, was er zu der Idee sagt, das Land zu verkaufen und in eine andere Gegend zu ziehen. Vielleicht in die Gegend von Austin? Da gibt es genug Reiche, die keine Schweinefarmen in ihre Nähe lassen würden. Falls Sie verkaufen wollen, dann sagen Sie mir Bescheid. Ich kann Sie mit einem Interessenten zusammenbringen.«
    »Ich spreche mit ihm, wenn ich ihn heute abend besuche. Ich sollte mich sowieso langsam auf den Weg machen.« Und sie ergriff die heiße Kasserolle, murmelte: »Schmorhuhn, eines seiner Lieblingsessen« und ging hinaus.
     
    In seinem Zimmer zog Bob seine feuchte Kleidung aus und nahm eine kühle Dusche. Auf der Veranda von LaVons Arbeiterbaracke – die ihm fehlte – würde es ein herrlicher Abend sein, an dem man den Himmel im Licht der untergehenden Sonne aufflammen sehen konnte. Er schaltete den Fernseher ein,doch kein Sender zeigte etwas Vernünftiges, also schaltete er ihn wieder aus und sah sich nach Leutnant Aberts Reisebericht um. Er konnte das Buch nicht finden und fragte sich, ob es im Wagen lag oder ob er es nach Denver mitgenommen und in seinem alten Zimmer vergessen hatte. Er ging nach draußen und suchte im Wagen. Es lag vor dem Rücksitz auf dem Boden, ein Lutscher klebte schief an dem Einband. Das neue Buch, Broken Hand , lag noch auf dem Beifahrersitz. Er nahm beide Bücher mit. Aus dem Haus hörte er das Telefon klingeln, und er rannte mit großen Schritten zum Apparat.
    »Hallo?« rief er atemlos.
    »Wie geht’s immer so?«
    »Mit wem spreche ich? «
    »Kennst du meine Stimme nicht mehr? Ich bin Marisa. Deine Freundin. Von der Front Range High School.«
    »Marisa. Wo bist du? « fragte er mit einem flauen leisen Lachen.
    »In Denver. Zu Besuch bei meinen Alten. Deine Nummer hat mir dein Onkel gegeben. Was treibst du im Texas-Panhandle? Ist es da nicht gräßlich? «
    »Nein, die Gegend hat ihren eigenen Charme. Sie hat viele nette Seiten. Und ich bin im Schweinemastgeschäft. Was machst du, Marisa? Ich dachte, du wärst an ein College gegangen.«
    »Bin ich auch, aber das habe ich abgeschlossen. Jetzt bereite ich mich auf die Promotion vor. Mein Freund studiert Jura und steht kurz vor dem Abschluß, und da dachte ich mir, daß ich mit meinem Gebiet auch weitermachen kann.«
    »Und was ist das?«
    »Konzeptualisierung. «
    »Was ist das denn?«
    »Och, alles mögliche. Die Tätigkeit von jemandem oder eine Website oder ein Geschäftsvorhaben oder genausogut ein Investitionsvorhaben. Ungefähr so, als würdest du Ektoplasma nehmen und daraus etwas Wiedererkennbares formen.
    Verstehst du, etwas, was ein Durcheinander ist, so darstellen, daß es klar und verständlich wirkt. Und hast du zur Zeit eine Freundin?«
    »Ja. Ich bin sogar verheiratet. Meine Frau heißt Evelyn. Sie hat schwarze Locken und Grübchen. Sie ist Tänzerin. Sie tritt gerade in Kansas City auf.«
    »Verheiratet! Du und verheiratet? Ich kann es nicht fassen. Und dein Onkel hat kein Wort davon gesagt. Ich hab angerufen, weil ich dachte, wir könnten vielleicht mal wieder zusammenkommen und ausprobieren, wie es jetzt mit uns wäre. Ich kann natürlich nicht in den Panhandle kommen. Aber wenn du herkämst, dann könnten wir was machen. Meine Alten gehen sonntags immer noch in die Kirche.«
    »Ich auch«, sagte Bob, »und zwar mit meiner Frau«, und behutsam legte er den Hörer auf.
    Er las in Leutnant Aberts Bericht, bis die Buchstaben vor seinen Augen zu verschwimmen begannen. Ihm fiel ein, daß die schwarzen Eichhörnchen mit ihren buschigen Ohren in Colorado Abert-Eichhörnchen hießen, und er fragte sich, ob es da einen Zusammenhang gab.

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