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Mitten in Amerika

Mitten in Amerika

Titel: Mitten in Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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Bislang war ihm keine Bemerkung zu Eichhörnchen aufgefallen. Vielleicht sollte er das Buch mit Augenmerk auf Eichhörnchen ein zweitesmal lesen.
     
    Am nächsten Morgen war der Gestank noch unerträglicher. Bob erwachte mit schmerzendem Kopf, in seinen Ohren klingelte es, seine geröteten Augen juckten. Ihm war schwindelig, und er hatte Konzentrationsschwierigkeiten, als brütete er eine Grippe aus. Erst unter dem shampooduftenden Wasserstrahl in der Dusche entkam er dem Gestank, der alles durchdrang. Seine Kleidung stank, sein Mund war wie mit Dung und Schlick gefüllt. Er rannte zur Tür, wo er beinahe mit Mrs. Shattle zusammengestoßen wäre.
    »Bob, ich habe mit meinem Mann gesprochen, und er sagt: Verkaufen! Wenn Tater verkauft, dann wollen wir es auch tun.
    Nur wegen Tater sind wir hiergeblieben. Wir wollten es für ihn nicht noch schlimmer machen. Aber wenn er es für uns schlimmer macht, dann verkaufen wir eben auch. Wir ziehen nach Kanada oder nach Grönland, irgendwohin, wo noch nie ein Schwein gesehen wurde.«
    »Okay, prima. Ich spreche mit Ihnen darüber, wenn ich wiederkomme – irgendwann am Nachmittag. Kann ich Ihnen irgendwas aus der Stadt mitbringen?«
    »Nein, Bob. Ich fahre selber in die Stadt, um von dem Gestank wegzukommen.«
    Er fuhr zum Old Dog, mit offenen Wagenfenstern, und die heiße Luft zerstrubbelte ihm das Haar. Zwei Meilen von der Schweinefarm entfernt konnte er wieder atmen. Noch nie hatte die Luft süßer geduftet. Er schloß die Fenster und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare, ärgerte sich, weil er nie einen Kamm bei sich hatte, doch dann fiel ihm die Bürste am Schneekratzer im Kofferraum ein, und er hielt am Straßenrand und glättete sich mit dem ungewohnten Utensil die Haare.
     
    »He, Bubba«, sagte Cy, als er das Café betrat. »Heute gibt es gebratenen Catfish und Maisbrot und Steaks, wenn du keinen Fisch magst, und Truthahnhackbraten für die, die auch kein Steak mögen.«
    »Ich erwarte jemanden«, sagte Bob.
    »Doch nicht etwa Jim Skin? «
    »Nein.«
    »Bruder Mesquite? «
    »Nein. Eine Dame, die ich nicht kenne. Mrs. Betty Doak.« »Betty Doak? Ich glaube, die kenne ich. Hieß die nicht früher Betty Cream? Ihr Daddy war Bohrarbeiter?«
    »Das weiß ich nicht«, sagte Bob, »aber es kann sein. Mrs. Shattle glaubt das auch. Vielleicht erkennst du sie, wenn sie reinkommt.«
    Und eine halbe Stunde später, als Bob allmählich dachte,Mrs. Betty Doak habe ihn versetzt, parkte ein zweifarbiger Grand Cherokee vor dem Restaurant, und eine schlanke Frau mit Pompadourlocken, deren schlaksige Figur in dem Hosenanzug aus blauem Rayon wie ein dünngepolstertes Skelett aussah, sprang die Treppe zum Old Dog empor, zwei Stufen mit jedem Schritt nehmend.
    Sie trat ein, sah Cy an, dann Bob. Sie legte den Kopf zurück und lachte. »Cy Frease, hier bist du also gelandet! Ich hatte immer gedacht, du würdest in Huntsville enden!«
    »Um ein Haar wäre es auch so gekommen, Betty. Aber ich habe gerade noch rechtzeitig die Kurve gekratzt. Du siehst gut aus. Ich dachte mir schon, daß du es sein könntest. Lebst du heute im Land der Okies?«
    »Ja, ich habe ein Häuschen nördlich von Beaver, gehört zur einstigen Ranch der Familie meiner Mutter. Nur ein paar Morgen. Hat sie mir vererbt. Mein Daddy hatte nie eine Ranch oder ein Haus oder irgendwelchen Besitz. Aber gut amüsiert hat er sich immer. Hat gutes Geld verdient und alles ausgegeben.«
    »Das habe ich gehört. Ich habe gehört, daß du da oben irgendwo hinter der Grenze wohnst.«
    »Na ja, als ich und Richard Doak uns scheiden ließen, lebten wir in Wichita Falls, und ich hatte das Gefühl, daß ich in den Panhandle zurückziehen sollte, auch wenn es nur der Teil in Oklahoma ist. Es geht doch nichts über die Heimat, stimmt’s?«
    »Stimmt. Da hast du recht. Ganz schön lange her, daß wir Kinder in Wink waren. Da herrschten rauhe Sitten.«
    »Ja, aber hatten wir nicht trotzdem eine tolle Kindheit? Ein hartes Leben, aber eine glückliche Kindheit.«
    »Vielleicht können wir dich dazu beschwatzen, daß du dich hier öfter mal blicken läßt. Apropos, da drüben, das ist der Mann, mit dem du verabredet bist, Bob Dollar. Heute gibt es gebratenen Catfish, Steaks, Truthahnhackbraten. Such dir aus, womit du dich vergiften willst.«
    »Hallo, Bob. Freut mich, Sie kennenzulernen. Wollen wir uns was von Cys Fraß holen? Riecht verdammt verlockend. Die Kocherei zu Hause bin ich so leid, daß ich immer froh bin, wenn ich essen gehen

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