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Mitten in Amerika

Mitten in Amerika

Titel: Mitten in Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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abgeleckt. Was auf ihn zukam, hat seinen Appetit jedenfalls nicht beeinflußt. Und was soll man von einer Henkersmahlzeit aus zwei Jalapeños und rohen Karotten halten? Aber ich will Ihnen was verraten: So gut wie keiner verlangt paniertes Steak. Was sagen Sie dazu?«
    Am Boden der Schachtel lag eine Kochmütze, verfleckt und zerknittert. Das war vom Leben seines Vaters übriggeblieben – vergilbte Wichsvorlagen und ein plattgedrückter Hut. Er beschloß, Vorsorge zu tragen, daß es ihm nicht ähnlich erging.
    Eine Zeitlang sammelte er Sheriff-Devotionalien. Er besaß ein Hundehalsband, das einem von Sheriff Andre Jackson Spradlings Hunden gehört hatte. Er besaß die Axt, die dem entflohenen Sträfling Jason Shrub den Weg aus dem Gefängnis von Comanche County freigeräumt hatte, und ein Foto von der Pistole, die ein verzweifelter Gefängnisinsasse Sheriff C. F. Stubblefield aus der Hand gerissen und mit der er ihm dann durch die Zunge geschossen hatte. Er besaß eine von Buck Lanes geblümten Krawatten und ein schmieriges Kartenspiel, das Relikt einer Razzia in einer Spielhölle in Borger. Er besaß ein Windradgewicht in Form eines Sterns. Er besaß einen Satz Schlagringe, die ein Deputy Sheriff aus Bryant, Oklahoma, benutzt hatte. Und eine schwere Kette, mit der in den Tagen vor der Errichtung des Gefängnisses von Woolybucket Gefangene an Bäume angekettet worden waren.
     
    Amtszeit für Amtszeit wurde Hugh Dough wiedergewählt. Er setzte nicht wie manch anderer auf muntere Scherze und gewinnende Ausstrahlung, sondern hatte einen fiesen durchdringenden Blick entwickelt und sich den Ruf eines guten Schützen erworben, dem die Waffe locker saß. Die Leichtgläubigen stellten sich Paradies und Inferno in Form vieler Morgen Landes vor, das eine weit oben, das andere tief unten im Stollen des Teufels im heißen Gestein, beides uneingezäuntes Weideland. Doch der Sheriff wußte, daß die Verhältnisse schon lange nicht mehr so eindeutig geregelt waren und daß ausgefranste Stücke von Himmel und Hölle über ganz Texas verstreut lagen. Die meisten Verbrechen auf dem Land, davon war er überzeugt, ereigneten sich in Fahrzeugen auf Schnellimbißparkplätzen und auf Parkbuchten am Straßenrand, wobeiletztere sozialen Zwecken dienten, von denen die Straßenplaner sich nicht hatten träumen lassen. Daneben gab es die armen Schlucker, die an den Pipelines Gasbenzin klauten, und jede Stadt hatte ihr Sortiment Männer, die ihre Frauen verprügelten. Um ersteren auf die Schliche zu kommen, achtete der Sheriff auf Fahrzeugmotoren, die Klopfgeräusche machten, eine Nebenwirkung der Verwendung von Gasbenzin als Treibstoff.
    Er war ein guter Kunde im forensischen Institut des Bundesstaates; einmal hatte er mit Hilfe der Forensiker ein scheußliches Verbrechen aufgeklärt, bei dem ein nackter, am ganzen Körper zerschundener junger Rancharbeiter am Fuß eines abgelegenen Windrads tot aufgefunden worden war. Auf der Haut des Opfers hatte man Dutzende runder Male entdeckt, und aus einer Eingabe heraus ließ Hugh Dough die Forensiker diese Male mit denen der conchas vergleichen, die die handgearbeiteten Chaparejos des Ranchbesitzers zierten. Sie waren identisch.
    Der Griff seiner Pistole wies Kerben auf. Er besaß schwarze Gürtel und Diplome in den ungewöhnlichsten Kampfsportarten; in seinen Händen wurde ein Stock zu einer tödlichen Waffe. In Woolybucket County führte er den Vorsitz bei gewissen erlaubten Ritualen, er nahm die Beichte ab, schlichtete Streitigkeiten, behielt die Gemeinde im Auge, wußte Bescheid, wenn eine Familie in Schwierigkeiten steckte, und geleitete die Verirrten auf den rechten Weg zurück, notfalls mit Gewalt.
    Hugh Dough mochte keine Politik und stellte sich nur widerwillig zur Wahl. Jahrelang war sein Gegenkandidat Tully Nelson gewesen, ein Hüne und ein Großmaul, der nach seiner letzten Niederlage in das dreißig Meilen entfernte dünnbesiedelte Slickford County gezogen war, wo er im Handumdrehen gewählt wurde, so daß er nun als Sheriff ein Rivale war. Halbwüchsige Lümmel mochte Hugh Dough ebenfalls nicht; ein paar Nächte im County-Knast hielt er für das beste Mittel, umeinen jungen Strolch – je jünger, desto besser – zu kurieren. Einmal hatte er den neunjährigen bebrillten Sohn des Staatsanwalts eingelocht, den er dabei erwischt hatte, wie er einen an seine Hundehütte geketteten Hund mit Steinen bewarf.
    »Wie würde es dir denn gefallen, wenn du angekettet wärst, und so ein kleiner

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