Mitten in Amerika
tanzte sie unversehens mit Archie Ipworth davon. Schmerzverzerrt und im Stich gelassen, suchte er Opal, die mit einem Schulkameraden tanzte, dessen Gesicht so verpickelt war, daß es aus einer gewissen Entfernung zu glühen schien.
»He, wollen wir gehen? Wollen wir endlich abhauen? Mir stinkt es hier in dem Laden.«
»Okay«, sagte sie und wandte sich an den Jungen. »Bis Montag in der Schule.« Er nickte und schlurfte davon.
Im Auto erzählte er ihr, was passiert war, wie die Rothaarige ihn bis zum Wahnsinn erregt und ihn so aufgegeilt hatte, daß es von den Knien bis zu den Schultern schmerzte.
»Ich will sagen, daß es echt scheiße weh tut«, sagte er. »Sie hat mir schlimme Liebeskrämpfe verpaßt. « Er stöhnte theatralisch. »Kannst du mich ihn nicht einfach reinstecken lassen?Soviel anders als das, was wir schon gemacht haben, ist es doch nicht.«
»Okay«, sagte sie, und er fuhr zum Friedhof, wo sie auf den Rücksitz kletterten und sich einer Aktivität widmeten, mit der sie in den nächsten fünf Jahren fast jede Tanzveranstaltung beendeten, inklusive der bei Opals Hochzeit, als der Bräutigam, ein älterer Rancher namens Richard Head, sich mit Billigchampagner so heftig betrunken hatte, daß ihm die Abwesenheit seiner Braut bei den Festlichkeiten nicht auffiel. Bei Thanksgiving und zu Weihnachten, wenn die Sippschaft en masse im ursprünglichen Zuhause erschien, boten Hugh und Opal sich freiwillig an, fehlende Eiscreme oder Ginger-ale oder Verlängerungskabel zu besorgen.
Der Vater des Sheriffs, T. Scott Dough, war im texanischen Staatsgefängnis in Huntsville viele Jahre lang Koch gewesen, in jenen Tagen, als es »Onkel Buds Place« hieß, und er hatte die Aufgabe gehabt, das letzte Mahl für die Männer aus den Todeszellen zuzubereiten. Als er mit sechsundsechzig starb, mußte der Sheriff die Kleidung im Schrank durchsehen, die Sonntagshosen mit den ausgebeulten Knien, als wollten sie für die toten Beine Platz freihalten. In einer Schachtel mit brüchigen Papieren entdeckte er vier oder fünf alte deutsche Postkarten, handgetönt; sie zeigten Frauen, die sich über Automobile der dreißiger Jahre beugten oder daran lehnten, mit bestickten Nahtstrümpfen, die in den Kniekehlen und an den Knöcheln traurige Falten warfen, die Füße in Riemchenschuhen aus stumpfem Leder. Ihre Röcke waren geschürzt und enthüllten zweckdienliche Strumpfgürtel und verschwitzte voluminöse Baumwollunterhosen. Aus den weitgeöffneten Beinansätzen quollen Pobacken, muskulös und prall. Ein Bild mißfiel ihm besonders. Es zeigte eine Frau mit nacktem Hintern, den linken Fuß auf einem Trittbrett, den rechten auf einem Grasflecken am Boden. Die Pose der Frau und der Aufnahmewinkel ließen die linke Pobacke erschreckend groß wirkenund die rechte durch das gestreckte Bein flach, wie verkümmert. Wie irgend jemand an etwas so Asymmetrischem Gefallen finden konnte, ging über sein Begriffsvermögen, doch das abstoßende Bild setzte sich in seinem Kopf fest und stellte sich zu den unpassendsten Zeiten gegen seinen Willen ein.
Der Vater des Sheriffs war immer wieder über die Todeskandidaten ausgefragt worden – was für Verbrechen sie begangen hatten, was sie gesagt und getan hatten. Der alte Mann sagte dann: »Weiß ich alles nicht, aber nicht die Bohne, nur was sie als Henkersmahlzeit haben wollten. Als ich anfing, dachte ich mir, daß sie sich was Besonderes wünschen würden, aber nee. Diese Bauernlümmel haben keine Ahnung vom Essen. Die meisten wollen Cheeseburger mit doppelt Hackfleisch und Fritten. Manchmal will einer Steak mit Worcestershiresauce. Aber meistens ist es unser guter alter Hamburger. Steak sagt denen gar nichts. Unser Niggerjunge hat da mehr drauf. Der mag Backhuhn, warmen Pfirsichkuchen und Maiskolben, gegrillte Hochrippe, Lachskroketten. Eine Menge Nigger, vor allem unsere Moslems, wollen gar keine Henkersmahl- zeit. Die fasten lieber. Einer wollte mal Wild haben – dachte wohl, wir würden mit dem Speer für ihn auf die Jagd gehen. Cheeseburger hat er gekriegt. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich ihm was von der Straße gekratzt. Viel Enchiladas und Tacos. Sie wollen Bier und Wein, das kriegen sie aber nicht. Sie wollen Zigaretten und Zigarren. Nix zu machen. Kaugummi gibt’s auch nicht. Der eine, der seine Freundin umgelegt hat, wollte sechs Rühreier mit fünfzehn Scheiben Speck, Maisgrütze und sieben Scheiben Toast. Hat alles bis zum letzten Krümel verputzt und den Teller
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