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Mitten in Amerika

Mitten in Amerika

Titel: Mitten in Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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Pferderücken und den einsamen Nächten auf der Prärie bis zum Pick- up mit CD-Spieler und Mobiltelefon.«
    Bob wunderte sich darüber, daß die Pioniere und ersten Siedler ihre Städte im Panhandle-Gebiet in verhältnismäßig gerader Linie und in so regelmäßigem Abstand errichtet hatten.
    »Wahrscheinlich dachten sie, daß eines Tages die Eisenbahn kommen würde.«
    LaVon schnaubte verächtlich. »Vergessen Sie das Pionier- und Siedlergefasel«, sagte sie. »Die haben die Städte nicht angelegt. Das waren alles die Eisenbahner. Die Eisenbahngesellschaften sagten, wo die Städte hinkommen sollten, und da kamen sie hin. Hat nichts mit Pionieren zu tun. Es ging nur um Firmeninteressen, Geld und Geschäfte. Dann haben sie die Grundstücke verkauft und gehofft, daß alles funktioniert. Die Eisenbahngesellschaften haben sich nicht um die Städte gekümmert, ihnen ging es um die Aussicht auf Weizen- und Schlachtviehtransporte. Sie hatten Pläne für die ganze Gegend, für den ganzen Bundesstaat – für das ganze Land –, und sie hatten die Macht. Aber sie haben die Gegend erschlossen. Früher gab es hier das Panhandle-Gebiet, von Dodge City bis nach Mobeetieund nach Old Tascosa, alles durch die Trails verbunden. Es stimmt, daß hie und da Städte gegründet wurden, die nicht an der Bahnlinie lagen, Cowboy Rose etwa, aber die lagen im hintersten Hinterland, mit denen war nicht viel Staat zu machen. Komisch, daß die Leute heute in diese kleinen Käffer ganz vernarrt sind. Klar gab es später die Stichbahn nach Cowboy Rose, aber entstanden ist es nicht als Eisenbahnstation. In den Eisenbahnstädten ging es nur ums Geld – Geschäftsstraße, Eisenbahndepot, Bank, Handvoll Händler. Viel mehr nicht. Damals war das so. Aber alles ändert sich.«
    Obwohl Bob bedauerte, sich von seiner Vorstellung der Pioniere, die tapfer die Wildnis besiedelten, verabschieden zu müssen, erklärte die Eisenbahntheorie, warum so viele Städte von der Stadt davor und der danach nicht zu unterscheiden waren. So war es überall im Westen, sagte er sich und sagte er laut zu LaVon.
    »Ha«, sagte sie. »Was haben Sie denn gedacht, wer den Westen besiedelt hat? Nein, keine Pioniere. Geschäftemacher! Zuerst die Händler wie die Bents und St. Vrain, dann die Militärstützpunkte, um die Händler und die Wagenzüge zu beschützen, und danach die Eisenbahn. In diesem Land geht es immer nur ums Geschäft. Vom ersten Tag an war das so.«
    »LaVon«, sagte Bob, »wo kann ich mir eine Lampe kaufen? Eine Campinglampe wäre gut, Propangas oder so. Sonst kann ich abends und nachts überhaupt nicht lesen.«
    »Wenn Sie in die Stadt fahren, könnten Sie sich einen Kanister Kerosin holen, und dann gebe ich Ihnen eine von meinen Kerosinlampen. Kommt Sie billiger. Benutzen wir hier, wenn der Strom ausfällt. Ich suche heute noch eine raus und mache sie Ihnen sauber. Sie holen das Kerosin.«
    Das Kerosin kaufte er im Drag On Crossroads Store, der zwischen Woolybucket und Cowboy Rose gelegen war; er sah aufmerksam zu, als LaVon ihm zeigte, wie man die Lampe anzündete,wie man den Docht schneuzte und täglich den Zylinder reinigte. Die Lampe war genau das richtige; von da an blieb er lange wach und las sich im Bericht des Leutnants fest, während die Lampe ihr schwaches gelbes Licht auf die Seiten warf. Er kam langsam voran, weil die Schrift so klein und so eng gedruckt war und die einzige Karte nichts taugte – überaus klein und ungenau. Er zog immer wieder seine Western-States-Straßenkarte zu Rat, die jedoch fast ebenso nutzlos war wie die Miniaturkarte des Buches, weil ihr Hersteller auf kleinere Flüsse samt Nebenflüssen verzichtet hatte.
    Er las, daß die Bents im texanischen Panhandle-Gebiet ein Nebenfort errichtet hatten, Adobe Fort genannt, und sann darüber nach, ob es vielleicht mit der berühmten Ruine Adobe Walls identisch war, dem Schauplatz des Kampfes, der nach der Verstümmelung des armen Dave Dudley erfolgt war und den Ausschlag dafür gab, daß die U. S.-Regierung sich zur gewollten und ausnahmslosen Vernichtung der Indianer dieser Region entschloß. Bob schwor sich, selbst eine Erkundungsreise zu machen. Die Bents, dachte er, mächtige Händler, hatten das Land zu ihrer Zeit zweifellos beherrscht. Vielleicht hatte LaVon tatsächlich recht: Geschäftsinteressen hatten den Westen aufgebrochen.
    Unterdessen war in seiner Lektüre Leutnant Abert mehrere Wochen von Bent’s Fort entfernt, einige Meilen den Arkansas hinunter bis zu der Stelle, wo

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