Mitten in Amerika
Ranch, die Tit Hat – nach dem Hut von den Canadian Mounties benannt –, war völlig am Ende, totgegrast und staubtrocken. Die Baums haben nie einen Penny investiert. Sie haben sich beholfen, notfalls ohne alles. Zum Schluß stand er nur noch vor der Aussicht, den Bankrott anzumelden und sich eine Arbeit zu suchen. Und genau in diesem Augenblick wurde auf seiner südlichen Weide Öl gefunden, und das Geld kam rein wie mit dem Feuerwehrschlauch. Mehr als dreizehntausend Dollar am Tag. Jerky Baum verlor den Verstand. Teils weil er noch nie Geld gehabt hatte und jetzt nicht wußte, wohin damit. Sie bauten sich ein großes Steinhaus wie ein Schloß, mit Tennisplätzen und Burggraben und mit einem Swimmingpool im Glashaus. Er kaufte sich ein Flugzeug und stellte einen Piloten ein, obwohl er nirgends hinfliegen wollte. Ließ Landebahnen für das Flugzeug anlegen. Dann fiel er einem Mann in die Hände, der ihn auf den Geschmack brachte, sich mit Rennpferden abzugeben. Er baute Ställe und eine Übungsstrecke, stellte Jockey und Trainer ein und kaufte teure Rennpferde, die nie ein Rennen gewannen. Aber jetzt wußte er, wohin er reisen wollte – zu den Rennplätzen –, und das tat er: Santa Anita, Harbor Park, Keeneland, Saratoga. Aber seine Pferde haben nie gewonnen. >Das braucht seine Zeit‹, sagte der Pferdemann. >Sie sind noch am Anfang. Das braucht Zeit.‹
Dann begann das Öl zu versiegen und das Geld auch. Jerky Baum bildete sich ein, daß es wieder zu sprudeln anfangen würde wie schon einmal. Aber das tat es nicht. Er hatte noch immer die Stallungen und die ganzen Angestellten, und auf einmal mußte er sich Geld leihen. Jerky sagte zu seiner Frau: >Dasist wie die Dürre. Früher oder später kommt der Regen.‹ Aber der Regen kam nie, und die Bank nahm ihm das Flugzeug weg und das Haus und das meiste von seinem Ranchland, und Jerky und seine Familie mußten in das Haus eines der Trainer umziehen. Nach dem Schloß ganz schön eng und ungemütlich. Und irgendwann begriff er, daß es mit dem Öl zu Ende war. So ist es mit Öl – es geht zu Ende.«
»Und was geschah dann mit ihm?« fragte Bob.
»Oh, er ist noch da. Arbeitet am Silo, wiegt die Lastwagen und so. Sie haben ihn sicher schon gesehen.«
Bob wechselte das Thema. »Ich habe mir über das Radioprogramm Gedanken gemacht. Wie kommt es, daß man hier keine gute Musik im Radio hören kann? Ich kriege nur Dr. Laura und Rush Limbaugh und den unsäglichsten Nashville-Schmalz. Und Kirchenlieder.«
»So, so, und was hätten Sie gern, Bob Dollar?«
»Hm. Jazz? Nachrichten? Klassische Musik? Wortsendungen? Latino-Musik? NPR? «
LaVon schnaubte verächtlich. »Es gibt Leute, die das Geld aufzutreiben versuchen, um NPR herzukriegen. Aber so was wollen die Leute hier bei uns nicht haben. Diesen liberalen NPR-Kram, diese Kommunistenpropaganda wollen keine sechs Hörer im Panhandle freiwillig anhören. Uns gefallen die Kirchenlieder. «
»Und was ist mit Volksmusik und texanischer Musik? Aus dieser Gegend kommt Musik, die zum Besten gehört, was Amerika zu bieten hat. Woody Guthrie und Bob Wills und Buddy Holly und Jimmy Day Gilmore – du lieber Himmel, ich könnte stundenlang weiterzählen. Und die Volksmusik. Aber davon hört man nie etwas in dem verdammten Radio.«
»Sie haben eben keine Ahnung von uns. Ich erkläre Ihnen jetzt, was Sie wissen müssen, wenn Sie den Panhandle verstehen wollen – die Leute arbeiten schwer, sie sind ehrlich, sie legen Wert auf Anstand, und die meisten von ihnen sind gläubigeChristen. Und gleichzeitig können die Männer bösartige Wüteriche sein, die jeden, der ihnen nicht paßt, grün und blau schlagen. Und die Frauen sind Dreckschleudern und Giftspritzen. Was die Leute heutzutage noch zusammenbringt, das sind lediglich Beerdigungen und Wirbelstürme. Das Leben hier ist kein Zuckerlecken, erst recht seit die Schweinemäster sich einnisten. Ich weiß nicht, ob Ihnen das schon aufgefallen ist, Mr. Dollar, aber die Umstände hier könnten Luxusalterssitzen nicht ganz zuträglich sein. Ich meine die Schweinemastbetriebe. Auf jeden Fall, unsere Volksmusik können Sie bei den Tanzabenden und in den Clubs hören. Auf jeder Veranda und in jedem Wohnzimmer. Beim Stacheldrahtfest. Sie können die Panhandle Syrup Boys hören. Sie können die Old Mobeetie Bone Pickers hören. Die alten Fiedeln, die wie die Kater quieken. Sie können das alles live hören, weil es hier nie aufgehört hat. Gehen Sie mal an einem Samstagabend nach Lipscomb.
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