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Mitten in Amerika

Mitten in Amerika

Titel: Mitten in Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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Manager, über Getreidepreise und mehrwertsteuerpflichtige Erzeugnisse unterhielten, auf die Regierung und auf Importe aus Kanada schimpften. Jerky Baum war der schmutzstarrende kleine Mann, der die Drecksarbeit am Silo machte, und Bob versuchte erfolglos, ihn sich als Ölmagnaten mit Privatflugzeug und Rennställen vorzustellen. Eines Tages erzählte ihm Etter, daß in Marmaduke in der Nähe von Texline ein Zug mitten durch ein Getreidesilo hindurchgefahren sei, und diese Vorstellung genügte Bob, damit er sich in das Old Dog zurückzog, das eine Meile von der Bahnstrecke entfernt lag. Es war das ungewöhnlichste Lokal im ganzen Panhandle, wenn nicht gar in Texas, denn dort gab es gutes Essen, fast so gut, dachte er, wie die zarte fette Hirschkuh 1845 unter den Pappeln geschmeckt haben mußte, eine Mahlzeit, die Leutnant Abert mit Genuß beschrieben hatte.

10. Old Dog
    C y Frease hatte einen großen vorwitzigen Mund, muskulös und beweglich, der sich bis zu seinen Backenzähnen öffnen oder, wenn er schmollte, wie ein Vulkankegel vorwölben konnte. Sein Gesicht war durch einen Backenbart blauverschattet; er hatte den Körperbau einer Ginflasche mit harten, eckigen Schultern. Er war Cowboy auf der Quarter Moon Ranch gewesen, einem großen Stück Weideland, dessen Besitzer, eine Familie in Chicago, einmal im Jahr herkamen, doch Ende der achtziger Jahre war er leid, was er den »beschissensten schmeckt-raufwie-runter Schweinefraß diesseits der Höllenpforte« nannte, sagte, wenn er als Koch nicht mehr draufhätte, würde er sich stehenden Fußes im Pißpott seiner Oma ertränken, holte seinen Lohn ab, nahm seinen Sattel und ging. Er verschwand für ein paar Jahre aus der Gegend; dann wurde er eines Tages gesehen, wie er die Stufen vor der Woolybucket County Bank hinunterging, unverändert bis auf einen neuen silbergrauen Cowboyhut. Als er damit fertig war, sich die Hand schütteln zu lassen und alte Bekannte zu begrüßen, holte er einen Schlüssel aus der Tasche und hielt ihn hoch.
    »Seht ihr das? Werde einiges ändern.« Er sah sich mit seinen glasfarbenen Augen um und sagte keinen Ton mehr, doch gegen Mittag parkte sein Lieferwagen (derselbe vergammelte alte 76er Chevy, in dem er weggefahren war) vor dem ehemaligen Itty Bitty Petal & Posy, das seit zwei Jahren pleite und geschlossen war. Jetzt standen Türen und Fenster offen, und Staub wirbelte heraus. Passanten konnten das Brummen eines Staubsaugers hören, gefolgt von Wassergeplätscher.
    »Er spritzt die Wände ab. Da kommt soviel Dreck runter,daß man damit glatt einen Garten anlegen könnte«, sagte Big Warren, ein ernsthafter Weizenfarmer, dessen Wangen und Kinn kleine Haarbüschel zierten.
    Gerüchte schossen ins Kraut. Cy Frease plane die Einrichtung eines Waschsalons, eines Sonnenstudios, einer Sattlerei. Von einem Laster der Holzfirma Dumas wurden Winkelhölzer und Kieferndielen abgeladen, und dann erschien eines Morgens ein Schreiner aus Higgins und hämmerte und sägte, sagte aber kein Wort, sondern grinste nur. Neugierige steckten den Kopf durch die Tür und sahen, daß das Innere in vier Räume aufgeteilt worden war, zwei sehr kleine Zimmer seitlich und ein langes, schmales an der Rückseite. Das Vorderzimmer mit Aussicht auf die Straße war groß und hoch. Ein Lastwagen der Firma Texas Salvage aus Wichita Falls fuhr vor. Big Warren sagte, Texas Salvage sollte von Rechts wegen eher Tornado Leftovers heißen. Zwei pickelige Jugendliche luden gestanzte Deckenverkleidungspaneele aus Blech ab, wie sie um die Jahrhundertwende beliebt gewesen waren, und eine massive, wenn auch verdreckte Bar aus Eichenholz, verziert mit Schnitzereien von Reitern, die Vieh trieben. Aha, schloß daraus das Getratsche, hier entstand ein Privatclub, wo man seinen eigenen Schnaps mitbringen und sich besaufen konnte, denn im trockenen Woolybucket gab es keine Bars.
    Doch eine Woche später war die eichene Bar abgeschrubbt und zu einer goldenen Färbung geschmirgelt, und die Clubgerüchte verstummten. Wieder kam ein Lastwagen, diesmal aus Tulsa: Gebrauchtes Gastronomiezubehör – alles für den Profi. Ausgeladen wurden ein alter und riesengroßer Gasherd und eine drei Meter hohe Geschirrspülmaschine aus Edelstahl.
    »Diese Spülmaschine stammt aus einem Knast«, sagte Charles Grapewine, der sich auskannte. »Ich wette, der richtet ein Café ein. Die kleinen Nebenzimmer, das sind Damen und Herren.«
    Persönlich durchkämmte Cy Frease den Panhandle auf der Suche nach

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