Mitten in Amerika
Antibiotika, und wenn wir dann Antibiotika brauchen, wirken sie nicht mehr.«
»Ach, komm schon, Ace«, sagte Jim Skin, »die Mastsäue sind doch gar keine Tiere, das sind ›Fleischlieferanten‹, etwas Ähnliches wie Getreide oder Holz. Das haben sie uns erklärt,als ich bei denen gearbeitet habe.« Der Rest des Ananasrings lag unangerührt auf dem Rand seines Tellers.
»Jim Skin, schäm dich, so was zu sagen. Was zeigen dir deine eigenen Augen? Schweine sind Lebewesen und nicht Getreide oder Holz. Mir dreht sich wirklich der Magen um, wenn ich daran denke, wie unmenschlich die Schweine in diesen Mastbetrieben gehalten werden.«
»Aber es sind doch nur Schweine, oder? Ich meine, es sind nur Tiere«, sagte Bob keck in einem Ton, als mache er einen Scherz.
Ace ignorierte den scherzhaften Ton und beantwortete die Frage ernsthaft. »Schweine sind Tiere, jawohl, aber darüber hinaus sind sie intelligent und wollen frische Luft und freie Natur, sie bauen sich Nester und sind verspielt und kümmern sich um ihre Kleinen. Aber diese Mastsauen – im Akkord gezüchtet zum Ferkelwerfen im Akkord, kein Schlamm zum Suhlen, kein Unkraut, keine Freunde. Schweine sind gesellig, aber nicht in diesen ekelhaften Kasernen. Ich muß kotzen, wenn ich dran denke.« Und der alte Mann stand auf und ging auf die Toilette.
An manchen Tagen war so viel los, daß Cy fluchte, weil die Teller sich schneller leerten, als er sie füllen konnte. Bob, der Onkel Tam zu Hause immer geholfen hatte, konnte nicht mit ansehen, wie Cy sich abrackerte; er stand auf, räumte die Tische ab, belud die Gefängnisspülmaschine.
Als es etwas ruhiger war, nahm Cy ihn beiseite. Er sah ihn an. »Danke für die Hilfe. Wer hinlangt, futtert umsonst.«
So kam es, daß Bob Teller jonglierte und die Steaks auf dem Grill wendete, immer auf dem Sprung zu seinem Stuhl zurück, um noch mehr über Probleme auf Farmen und Ranches zu erfahren und womöglich auf die Fährte eines verkaufswilligen Landbesitzers zu stoßen. Wenn Ace Crouch gegen Agrarfabriken und Massentierhaltung vom Leder zog, wurde es lebhaft,und Bob hörte seine Tiraden voll schuldbewußten Schauderns (was wäre, wenn die Wahrheit über ihn ans Licht käme?). Charles Grapewine beklagte sich über das Los und die Irrtümer der Vorfahren, und um nichts in der Welt hätte Bob sich seine leidenschaftlichen Ausbrüche entgehen lassen.
»Die Leute kamen hierher, als die Großfarmen kaputtgegangen waren«, sagte Grapewine, der Weizen und Sorghum auf fünfzehntausend Morgen anbaute, »und sie glaubten an das alte Wort vom Regen, der dem Pflug folgt. Der Bursche, der sich das ausgedacht hat, der hat eine Menge Herzen und Rücken gebrochen. Den Pflug muß man noch erfinden, dem der Regen folgt.«
»Das stimmt«, sagte Buckskin Bill, der an seinem Kaffeebecher süffelte.
Grapewine fuhr fort. »Arbeiten? Du lieber Himmel, keiner kann sich ausmalen, wie schwer unsere Großväter gearbeitet haben. Tag für Tag haben die sich krummgelegt. Man muß sich nur vorstellen, was das hieß, ein Feld anzulegen. Zuerst mußte das Gestrüpp weg, Krallenstrauch, Mesquitesträucher, und fast alles in Handarbeit, wochenlang. Und danach mußte man die Wurzeln umpflügen und ausreißen. Die Pferde vor eine Pflugschar spannen, die tief genug reichte, um die Wurzeln dieses Gestrüpps zu kappen.«
Buckskin Bill, der sein Teil Kinderarbeit auf der Farm geleistet hatte, fügte hinzu: »Und die Pflugschar immer schön schleifen.«
»Richtig, Buckskin. Und wenn das getan war, mußte man die Pferde vor eine richtig schwere Harke spannen, damit man die Wurzeln rausbekam. Und dann ging es mit den Kindern und den alten Weibern aufs Feld, wo die Wurzeln und Sträucher zum Trocknen aufgeschichtet wurden. Diese Haufen anzuzünden war das Beste an der Arbeit. Dann mußte man mit einem schweren Streichblech das Feld ebnen, Höcker und Löcher ausgleichen. Und dann war es endlich soweit, daß manpflügen und eggen konnte. Dafür brauchte man eine schwere Pflugschar, um den Boden gründlich durchzuackern, und die größte Egge, die die Pferde ziehen konnten.«
»Vergiß nicht die Wasserrinnen für die Bewässerung.«
»Stimmt. Und danach war es dann ein Klacks, wenn man noch am Leben war – Pflanzen, Bewässern, wo es ging, Unkraut- jäten, Hacken, Angst vor Heuschrecken, vor Hagel, Dürre, Überschwemmung, Präriebrand. Wir heute könnten das gar nicht. Diese alten Burschen haben ihr Lebtag nur den Ernstfall gekannt. Hier gab es nie was
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