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Mitten in Amerika

Mitten in Amerika

Titel: Mitten in Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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sie eine zentrale Bewässerung und Wasserkooperativen haben. Der Farmer in Texas ist ein unabhängiger Bursche, der alles auf eigene Faust macht – Brunnen, Pumpen, Gruben, Leitungen und die ganze Arbeit. Der Ogallala-Aquifer? Der kann gegen die Dürre und den riesigen Wasserbedarf nicht gewinnen. Nein, mein Lieber, wenn Ende ist, dann ist Ende, aus und fertig.«
    Ein schlaksiger grauhaariger Mann, der nur aus Ellbogen und Schienbeinen zu bestehen schien, trat ein, holte sich eine Tasse Kaffee und setzte sich an das Ende eines Tischs, nickte Grapewine zu.
    »Bob, das ist Ace Crouch, der die Windräder am Laufen hält. Ace, Bob sieht sich nach Land um, auf dem seine Firma schicke Alterswohnsitze bauen will.«
    Der Windradbauer betrachtete Bob prüfend, als durchschaue er ihn. Bob errötete und hielt den Kopf gesenkt.
    »Sie sind der Bursche, der bei LaVon wohnt? Der sich so begeistert ihre ganzen Räuberpistolen anhört?« Er hob seine Tasse und leerte sie fast mit einem Schluck.
    »Ja, Sir. Sie erzählt sehr gute Geschichten.« Jedermann im Old Dog, dachte er, aß und trank wie halb verhungert und halb verdurstet.
    »Alles andere wäre ein Wunder bei den vielen Tagebüchern und Briefen, die sie den Leuten abgeluchst hat. Der Herr sei Woolybucket gnädig, wenn das Haus mal abbrennt. Wenn Sie lange bei ihr wohnen, brauchen Sie keine Ohrenschützer mehr.«
    »Entschuldigung?«
    »Na ja, weil sie Ihnen glatt die Ohren vom Kopf redet. Das hält der stärkste Mann nicht aus.«
    Aber Bob dachte sich, daß Ace ebenfalls kein schlechter Anwärter für den Meistertitel im Reden war.
    Ringsum hörte er in der breiten Vielfalt der Dialekte Gesprächsfetzen vom Leben im Panhandle und von geheimnisvollen Tätigkeiten, Sorgen, daß die Maul- und Klauenseuche den Atlantik überqueren und das texanische Rindfleich vernichten könnte. Schaudernd hörte er von Arbeitsunfällen auf Farmen und Ranches – Brüche, Schnitte, Prellungen, tödliche Stürze, Verstümmelungen und Todesfälle. Jeder der Männer, die im Old Dog aßen, jung wie alt, hatte Narben vorzuweisen.
    Rope Butt, ein uralter Cowboy, der auf eine Tasse Kaffee vorbeigekommen war, drehte sich zu den Tischen um und schimpfte: »Himmelherrgottsakrament, hat denn keiner von euch was zu tun? Sitzen da wie die alten Weiber und schwatzen dem Teufel ein Bein weg. « Sprach’s, zog seine Jeans hoch und ging.
    Bob verspürte leise Schuldgefühle. Führte sein ganzes Zuhören ihn näher an irgend jemanden heran, der sein Land verkaufen wollte?
    Wieder wehten Gesprächsfetzen vorbei wie Papierschnipsel im Wind. Wieder kehrten die Gespräche zur Dürre zurück und – unvermeidlich – zur Depressionszeit, als die Sandstürme den Panhandle zerwühlten. Ace Crouch sah Bob an. Der alte Mann strahlte eine gewisse Autorität aus.
    »Die Bewässerung mit dem Ogallala-Wasser war die Rettung und der Beweis, daß man die gerechte Belohnung bekam, wenn man zäh genug ausharrte. Aber was niemand sehen wollte, das waren die Spätfolgen, daß das Wasser den Agrarfabriken und Mastanlagen Tür und Tor öffnen würde.«
    »Aber es heißt doch immer, daß wir in einer globalen Wirtschaft leben«, sagte Bob, der Ribeye Clukes Worte wiederholte.
    »Ja, das heißt es. Und manche dieser industriellen Agrarproduzenten sind waschechte Eingeborene wie die Hitches drüben in Guymon. Riesige Schweinebetriebe und Rindermastweiden. Die fühlen sich im Geld so wohl wie die Enten im Wasser. Und deshalb heißt es bei manchen« – er durchbohrte Bob mit seinen blassen alten Augen –, »daß das Ogallala-Wasser und die ganze Technologie, die Pumpen und Telefone und asphaltierten Straßen und Radios und Computer und das Fernsehen, dieser ganze Kram, daß all das aus dem Panhandle ein Paradies auf Erden gemacht hätte. Aber diese Technologie, die hat uns gleichzeitig daran gehindert, uns der felsenharten wirklichen Natur hier anzupassen, und das wird sich früher oder später bitter rächen. Das Wasser geht irgendwann aus. Die Leute haben früher alles auf das Öl gesetzt und gedacht, das Öl würde ewig weitersprudeln. Aber es ist fast keins mehr da. Und dann hat man uns weisgemacht, der Ogallala-Aquifer wäre unerschöpflich. Und jetzt geht das Wasser langsam zur Neige.«
    »Eines ist sicher«, sagte Charles Grapewine. »Die Nachkommendieser zähen alten Siedler verkaufen ihr Land und machen sich nach Dallas davon.«
    »Alles verändert sich«, sagte Bob. »Ist das nicht fast wie ein Naturgesetz, daß nichts so

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