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Mitten in Amerika

Mitten in Amerika

Titel: Mitten in Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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an den Händen des Alten gesehen und bei seinen Fahrten über die abgelegenen Straßen seinen befremdlichen Garten zu Augen bekommen, wo umgedrehte Plastikfässer in langen Reihen aufgestellt waren, an jedes Faß ein Kampfhahn angebunden. Aus der Ferne sahen diese ordentlich aufgereihten Hühnerställe wie ein Friedhof aus.
    Im Verlauf dieser Woche beschloß er irgendwann, einen Hahnenkampf zu besuchen, sollte sich die Gelegenheit ergeben, doch erst, nachdem er eine Schweinemästerei in Augenschein genommen und jemanden gefunden hatte, der bereit war, Land zu verkaufen. Seine geistige Liste führte die Namen von Sorrel Bill und Jim Skin auf. Er schrieb an Ribeye Cluke.
     
    Lieber Sir,
    mir ist bewußt, daß ich noch nichts Konkretes zu bieten habe, aber ich habe mich umgetan. Ich habe mich bemüht, im Café herauszufinden, welche Rancher in Schwierigkeiten stecken und vielleicht gerne verkaufen würden. Die meisten haben Schwierigkeiten finanzieller und privater Natur (eheliche Zerrüttung scheint ein durchaus ernstzunehmender Grund zum Verkaufen zu sein), aber sie halten hartnäckig an ihrem Land fest. Ich habe einige Kandidaten im Auge, die möglicherweise verkaufswillig sein könnten. Meine Vermieterin Mrs. Fronk war sehr hilfreich mit Informationen über die Leute hier. Sie ist grauenhaft gesprächig, aber eine Goldgrube des Wissens. Sie hat mir von einem Zeitgenossen erzählt, der vor wenigen Jahren durch Ölfunde sehr reich wurde und infolge Verschwendungssucht alles verloren hat und heute am Silo arbeitet. Die Bank hat ihm seine Ranch weggenommen. Meinen Sie, ich sollte mich bei den örtlichen Banken nach beschlagnahmtem Grundbesitz erkundigen?
    Es war nicht so einfach, sich dem Rhythmus der Gegend anzupassen. Zuerst wußte ich nicht, ob die ländliche Gemeinde vom Wechsel der Jahreszeiten bestimmt wird oder von den Fluktuationen, denen der Rind- und Schweinefleischmarkt unterliegt, oder wovon auch immer. Auf jeder Ranch und in jeder Stadt gibt es Unmengen alter Maschinen. Ich glaube, die Gewohnheit, diesen Schrott aufzubewahren, hängt mit der deutschen Sparsamkeit zusammen, derzufolge man nichts wegwerfen soll, was man eines Tages vielleicht wieder brauchen kann. Mir kommen diese ausgesonderten Maschinen vor wie Privatmuseen der Landwirtschaft früherer Tage. Es gibt hier die unterschiedlichsten Fahrzeuge – Muldenkipper, traktorgezogene Drillmaschinen und Planierpflüge, Viehtransporter, Getreidetransporter, Kesselwagen, isolierte Kugeltanks, Säuretankwagen, Bohrwagen mit Rotationsbohrgerät –, und alle Leute fahren silbergraue Pickups oder weiße Lieferwagen. Es würde mich nicht wundern, wenn die vielfältigen Funktionen der Fahrzeuge Ausdruck der ortsüblichen Gepflogenheit wären, mehrere Jobs nebeneinander auszuüben. Das Spezialistentum scheint im Panhandle nicht beliebt zu sein.
    Mir ist klargeworden, daß die Besichtigung einer der Schweinefarmen von Global Pork Rind für mein Verständnis der Schweinemast ausgesprochen hilfreich wäre. Ich bekomme soviel Abträgliches zu hören, daß ich finde, ich sollte in der Lage sein, diese Argumente zu entkräften. Da ich aber so einen Betrieb noch nie von innen gesehen habe, fehlt mir das Grundwissen dazu. Könnten Sie eine solche Besichtigung für mich ermöglichen?
     
    In ihrem Ländlichen Kompendium füllte LaVon viele Seiten mit Beispielen dessen, was sie als »Landessitten und Gebräuche« bezeichnete: Außenklos samt dem nichtsahnenden Insassen umwerfen, Schlangen totschlagen, am letzten Abend des Monats vor dem Zubettgehen dreimal »Kaninchen« sagen, Nachbarn bespitzeln. Bob Dollar, der Sheriff Hugh Dough regelmäßig als verdächtiger Fremdling gemeldet wurde, erfuhr auf diesem dornigen Weg, daß viele durch ihre Wohnzimmervorhänge den Highway beobachteten und sich nicht lange zierten, wenn es darum ging, die Polizei anzurufen und Verdächtigungen zu äußern. So manches ging im Panhandle vor sich, das der Polizei gemeldet werden mußte: Jogger, ungewöhnliche Kleidung, auffällige Fahrzeuge, Nummernschilder anderer Bundesstaaten, dunkle Hautfarbe, unbeaufsichtigte oder streitende Kinder, herrenlose Hunde, große Katzen (ausnahmslos als »Panther« bezeichnet), Leute, die einen Platten oder einen Motorschaden hatten und in Wirklichkeit womöglich als Lockvögel für entflohene Sträflinge agierten. Aber verendete Kühe konnten wochenlang im Graben liegen, bis der Wagen des Abdeckers sie holte.
    Bobs Begeisterung für Cowboy Rose teilte LaVon

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