Mitten in Amerika
Frachttrecks fragen wollten.«
»Frachttrecks?«
»Das Foto, das ich Ihnen gezeigt habe. Sie wollten wissen, wie der Kerl es lenkte.«
»Ach ja. LaVon, als ich heute morgen herkam, habe ich auf dem Weg ein graues Pferd gesehen. Das Brandzeichen konnte ich nicht erkennen. Ich nehme an, daß es eines von Ihren ist, aber ich glaube nicht, daß ich es schon mal gesehen habe. Haben Sie vielleicht neue Pferde gekauft, und das ist eines davon?«
»Grau? Das ist sicher keines von unseren. Mein Grainded hat wie alle alten Cowboys immer behauptet, helle Pferde würden den Blitz anziehen, und wollte deshalb keines auf seiner Ranch haben. Eine Art Tradition. Ein bißchen glaube ich selber daran. Drüben an der Kreuzug gab es eine Familie, vor etwa sechs Jahren aus Houston hergezogen, er war irgendwas im Ölgeschäft, drei Kinder, und jedes kriegte ein Pferd, und eines der Pferde war hellgrau, eines ein Fuchs und eines ein Brauner. Und ob Sie’s glauben oder nicht, ein Sturm brach los, Blitze wie Fliegen, die es zum Zucker zieht, und tatsächlich hat eines der Pferde der Blitz erschlagen, und es war das graue. Und deshalb denke ich mir, daß an der alten Überlieferung vielleicht doch was Wahres ist. Ich wüßte gern, ob Vögel vom Blitz getroffen werden. Es gibt welche, die im Sturm rumfliegen, als könnte ihnen das nichts anhaben. Das Pferd stammt vielleicht von Sandersons Ranch weiter unten an der Straße. Ich werde mich mal erkundigen. Aber ich wette, Sie kennen Taters Enkelin Donna Crouch – sie arbeitet im Büro am Silo.«
»Große Dicke mit blondem Pferdeschwanz?«
»Nein, das ist Lou Ann Bemis. Sie und ihr Mann betreiben am Wochenende das Java Jive Café in Waka. Donna ist ganz klein, rote Haare, Mittelscheitel, Brille mit großen runden Gläsern, sagt nie ein Wort.«
»Bis morgen, LaVon. «
»Einen schönen Tag, Bob. «
Der nächste Morgen begann mit staubaufwirbelndem, übel- riechendem Wind, der zunehmend heftiger und peitschender blies. Bob kam in die Küche; der Wind schlug ihm seinen Kanister gegen das Bein. LaVon wühlte in den Fotos.
»Bob, schenken Sie uns Kaffee ein? Danke.« Sie hielt die Porträtfotografie eines blondgelockten jungen Burschen hoch, der nicht älter als fünfzehn sein konnte. Er war als Cowboy ausstaffiert, doch für ein Leihkostüm des Fotografen saß die Kleidung zu perfekt.
»Keine Ahnung, wer dieser Junge ist. Sieht Ihnen ein bißchen ähnlich, die Locken, die großen blauen Kinderaugen. Tater hat gesagt, er hätte hinten auf die Fotos draufgeschrieben, wer die Leute sind, aber ich habe gesehen, daß er ganz schön viele vergessen hat. Und seine Schrift kann man kaum entziffern. Ich habe getan, was ich konnte, um mich durchzuarbeiten, aber ein paar bleiben mir komplett schleierhaft. Morgen fahre ich zur Bar Owl und setze mich mit ihm hin und frage ihn über die aus, mit denen ich nichts anfangen kann. Kommen Sie mit, wenn Sie wollen. Er war der wahre Jakob, ein Rancher, der was taugte und was von Kühen und von Menschen verstand. Was er heute noch tut. Der kann erzählen, wenn man ihn erst mal in Fahrt gebracht hat. « Sie hielt ein anderes Foto hoch, eine Gruppe von Männern und Pferden um einen frischen Grabhügel herum. Buchstaben in weißer Tinte besagten: Ein Cowboy-Begrehbnis. Sie drehte das Bild um.
»Nicht die blasseste Ahnung, wer da begraben wurde. Oh!
Dieses Bild wird Ihnen gefallen. Die Hauptstraße von Cowboy Rose gegen 1911.«
Sie reichte Bob ein sepiabraunes Foto, das ein paar Geschäftshäuser mit Scheinfassade zeigte, eine Schmiede im Schatten eines Baums, wo der Schmied sich über einen Pferdehuf beugte, einen grasbewachsenen Pfad, der die Hauptstraße bildete und sich ostwärts in der fernen Ebene verlor. Bob erkannte zwei der Gebäude wieder, die noch immer dort standen, die Schmiede und die winzige Bank.
Den Abend verbrachte er mit Leutnant Abert; er benutzte seine Straßenkarte von Texas, um herauszufinden, wo sich die Handelsniederlassungen der Bents im Panhandle befunden hatten, zum einen das Adobe Fort am Canadian, errichtet um 1840, und ein paar Meilen davon entfernt eine neue Handelsniederlassung aus dem Frühjahr 1844. Auch mit Hilfe des geographischen Lexikons The Roads of Texas konnte er die angegebenen Flüsse Bosque Grande Creek und Red Deer Creek nicht ausfindig machen. Er nahm an, daß die Karte zu ungenau war oder daß die Flüsse umbenannt worden waren. Später erfuhr er von LaVon, daß er sich mit seiner Vermutung nicht getäuscht
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