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Mitten in Amerika

Mitten in Amerika

Titel: Mitten in Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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hatte, bei diesem »Adobe Fort« handle es sich um die späteren Adobe Walls, die 1874, als die Bents das Fort längst aufgegeben hatten, Schauplatz eines Kampfs wurden zwischen mehreren hundert Komantschen, Kiowas und Cheyennes (darunter der junge Quanah Parker), angeführt von dem Komantschenkrieger Coyote Droppings (der behauptete, er und seine Kampfgefährten seien durch den Medizinmann kugelsicher gemacht worden), und achtundzwanzig Scharfschützen und Büffeljägern. Das Abkommen von Medicine Lodge aus dem Jahr 1867 untersagte den Weißen, südlich des Arkansas River zu jagen, doch der weiße Mann scherte sich nicht um Vorschriften. Dieses Abkommen untersagte auch den Indianern, Siedlungen im Panhandle zu plündern, doch die Indianer fielenweiterhin über die Siedler her. An diesem schönen Frühlingsmorgen unternahmen die Indianer einen klassischen Angriff im Morgengrauen. Die Büffeljäger waren jedoch um zwei Uhr morgens geweckt worden, als ein Firstbalken einbrach. Sie hatten den Balken repariert und, vom Kaffee munter, beschlossen, aufzubleiben und den Tag früh zu beginnen. Als der Ruf »Indianer!« ertönte, waren sie wach und kampfbereit. Sie hielten den Indianern drei Tage lang stand. Nachdem mehrere Angreifer gefallen waren, zog sich der Haupttrupp der Indianer in die Hügel oberhalb von Adobe Walls zurück, wo sie außerhalb der Reichweite der Gewehre hin und her ritten. Am dritten Tag schoß der Präriebewohner Billy Dixon mit seinem 50er Sharps-Gewehr auf einen der fernen Reiter. Der Indianer fiel tot vom Pferd, und bald darauf zogen die demoralisierten Angreifer ab, die geglaubt hatten, ihre mächtige Medizin nehme sie vor den Kugeln in Schutz. Es war der Anfang vom Ende; ein Jahr später war der Panhandle von seinen Ureinwohnern ethnisch gesäubert. Billy Dixons weitreichender Schuß wurde zu einem Stützpfeiler der Westernmythen.
     
    Zur Bar Owl Ranch fuhren sie meilenlang über die helle Gesteinsstraße; LaVons zernarbter Chevy-Pickup wirbelte milchigen Staub auf, der in der Luft schwebte, ein durchsichtiger Schleier, in dem die Straße hinter ihnen verschwamm. Es war ein blitzblanker Tag, Wolken schossen über den Himmel. In einiger Entfernung leuchtete an einem Windrad bei jeder Umdrehung ein neues Rotorblatt auf. Als Bob eine Bemerkung machte, sagte LaVon, die Rotorblätter würden durch Eulen beschädigt und im Panhandle herrsche eine regelrechte Eulen- plage, Pee-Wee Fischer, der Falken züchtete, schieße bei jeder Gelegenheit Eulen ab. Bob sah wieder, wie schön das Land war, wenn er den Wirrwarr von Tanks und Pumpen ignorierte, in ein gelbes Licht getaucht, so fein und klar, daß es in großen Platten und schmalen strohfarbenen Säulen vom Himmel glitt,die von fliegenden Vögeln, Windschutzscheiben und Fensterscheiben zurückfielen und von Autos und Lastwagen herüber- zwinkerten. Es war ein verrücktes Land, das zum Flachsten gehörte, was die Erde zu bieten hatte, von Traktoren zerfurcht und in Rechtecke aufgeteilt, schroffe Einschnitte und tiefe Canyons, finstere Wolken solchen Ausmaßes, daß man sie nicht auf einen Blick erfassen konnte, rostfarbene Flüsse, knochenweiße Straßen und rötliches Bartgras. Der Wind hatte sich gelegt; LaVon deutete zu einem reglosen Windrad auf einer abgegrasten Weide. Vor dem Himmel hob es sich wie eine Mischung aus Stativ und Fleischwolf ab. Ein halbes Dutzend kleine Vögel hockten schräg auf den Rotorblättern, und als eine Brise aufkam und die Blätter sich wieder zu drehen begannen, rutschten die Vögel ein paar Zentimeter an den Kanten entlang und flogen davon.
    »Damals, als die großen Ranches anfingen, ihr Land zu verkaufen«, sagte LaVon, »war alles hier trocken, staubtrocken. Die XIT hatte Hunderte von Windrädern und Rancharbeiter, die nur dafür da waren. Und als die Squatter kamen und sich einnisteten, hätten die ohne Windräder nie überleben können. Kein einziger. Aber überlebt haben sie sowieso nicht. Sie hatten keinen blassen Schimmer, was unter ihnen war. Ich meine den Ogallala. Sie wußten nicht, daß dieses ganze Wasser unter ihnen war. Wenn man damals Rancher sein wollte, mußte man Zugang zu fließendem Wasser haben oder einen Brunnen, über den man an das Grundwasser kam. Wenn man Vieh und Kinder hatte, brauchte man nun mal jeden Tag mehrere hundert Liter Wasser. Brunnen und Windräder, wohin man sah, das war bis in die sechziger Jahre das übliche Bild. Ich kann mich gut daran erinnern. In den Windradzeiten bin ich

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